Putin umgarnt die Türkei

von Redaktion

Astana – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin wollen die wirtschaftliche Zusammenarbeit ihrer Länder weiter ausbauen. Putin schlug bei einem Treffen im kasachischen Astana die Einrichtung eines Gas-Hubs in der Türkei zum Transport von Erdgas in weitere Länder vor. Erdogan verteidigte seinen kooperativen Kurs gegenüber Russland gegen scharfe Kritik aus den Nato-Partnerländern der Türkei.

Putin zufolge könnte mehr Gas über die Türkei nach Europa geleitet werden. Dies sei „aktuell der sicherste Lieferweg“. Die Pipeline Turkstream, die durch das Schwarze Meer und die Türkei nach Südosteuropa führt, ist derzeit die einzige Leitung, die noch nennenswerte Mengen russisches Gas nach Europa liefert. Nord Stream 1 und 2 waren zuletzt durch Sabotage beschädigt worden. Auch Turkstream habe gesprengt werden sollen, behauptete Putin nun.

Erdogan kündigte an, das Abkommen über die Ausfuhr von Getreide und Düngemitteln aus Russland über die Türkei weiterzuentwickeln, um „Entwicklungsländer“ zu beliefern. „Wir können daran arbeiten, gemeinsam zu bestimmen, welche Länder das sein werden.“

Während der türkische Präsident eine Zukunft für das Abkommen sieht, erwägt Moskau allerdings, die Vereinbarung nicht zu verlängern. „Ich weiß es nicht, weil der zweite Teil nicht eingehalten wird“, antwortete der Putin-Berater Juri Uschakow auf die Frage von Journalisten, ob der Getreidedeal in seiner jetzigen Form weitergeführt werde. Er beklagte, dass rund 300 000 Tonnen russischer Düngemittel in europäischen Häfen lagerten, die niemand abholen könne. Russland habe angeboten, sie kostenlos an die ärmsten Länder abzugeben. „Aber bisher erhält niemand Zugang zu diesen Düngemitteln“, sagte Uschakow.

Die USA und die EU hatten zuletzt den Druck auf die Türkei erhöht, sich ihren Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine anzuschließen. Erdogan führt hingegen an, die Türkei könne als neutraler Akteur mögliche Waffenstillstandsgespräche zwischen Kiew und Moskau erwirken. Das Land profitiert aber auch wirtschaftlich stark: In den vergangenen Monaten haben sich die türkischen Exporte nach Russland nahezu verdoppelt.

Nach der Entdeckung eines Lecks an der Ölpipeline Druschba in Polen hat der Betreiber der Leitung unterdessen Sabotage vorerst ausgeschlossen und mit Reparaturarbeiten begonnen. Die Ursache der Leckage werde derzeit noch untersucht, teilte das Unternehmen Pern gestern mit. Bereits am späten Mittwochabend hatte der Leitungsbetreiber bekannt gegeben, dass Techniker zum Leck vorgedrungen seien. Es gebe „keine Hinweise auf eine Fremdeinwirkung“.

Bei den erbitterten Kämpfen in der Ukraine verbuchten beide Seiten gestern militärische Erfolge für sich. Während im Osten prorussische Separatisten die Eroberung zweier Dörfer nahe der Industriestadt Bachmut vermeldeten, erbat die von Russland eingesetzte Verwaltung in der Region Cherson angesichts des ukrainischen Vormarschs Hilfe von Moskau bei der Evakuierung von Zivilisten.

Die Ukraine meldete zudem erneute Angriffe auf die Hauptstadt Kiew durch russische Drohnen. Es habe am frühen Donnerstag „einen weiteren Angriff mit Kamikaze-Drohnen auf essenzielle Infrastruktur“ gegeben, erklärte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko, ohne weitere Angaben zu machen. Die russische Armee hatte am Montag mit groß angelegten Raketenangriffen auf ukrainische Städte begonnen. In Kiew und im westukrainischen Lwiw schlugen dabei zum ersten Mal seit Monaten wieder Raketen ein.

Russischen Angaben zufolge bombardierten ukrainische Truppen ein Wohnhaus im Süden Russlands nahe der Grenze. „Die ukrainischen Streitkräfte haben Belgorod bombardiert“, erklärte der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow. Die Ukraine wies den Vorwurf umgehend zurück. Präsidentenberater Mychailo Podoljak erklärte, vielmehr habe die russische Armee versucht, die in Grenznähe gelegene Stadt Charkiw zu bombardieren.

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