München – Im Frühjahr waren die Träume noch groß. Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn lud damals in ein Nebenzimmer im Landtag ein, kleine Runde, offene Worte. Es gab Weißwürste, Brezen und ein paar Blicke in die Zukunft. Für die Landtagswahl 2023 arbeite man an einem Regierungsprogramm, sagte von Brunn ganz unbescheiden, und weil es der 1. April war (und um die SPD ging), klang das wie ein Scherz.
War es nicht, die Partei – in Bayern seit dem 9.7-Prozent-Wahldebakel 2018 von vielen abgeschrieben – hegte zarte Hoffnungen. Angestupst vom damals neuen SPD-Kanzler, lag sie in Umfragen plötzlich bei 13, 14, 15 Prozent, knapp hinter den Grünen. Die CSU schwächelte und von Brunn träumte schon von der Bayern-Ampel. Aber wie gesagt, das war im Frühjahr.
Jetzt ist Herbst, und die SPD schrumpft. Im Bayerntrend des BR kommt sie auf zehn Prozent, vier Punkte weniger als in der Januar-Umfrage. CSU, Grüne, AfD und Freie Wähler, sie alle schneiden besser ab. Die SPD ist damit ungefähr da, wo sie 2018 war. Das riecht nach vielem, aber nicht nach einem irgendwie denkbaren Griff nach der Macht. Und ohne die FDP im Landtag (im Bayerntrend ist sie raus) ist selbst der kühnste Ampel-Traum passé.
Gut, Umfragen sind Umfrage, aber der Bayerntrend gilt als zuverlässiger Stimmungstest. Sollte er insgeheim von Brunns Stimmung trüben, lässt der sich nichts anmerken. „Ich bin einigermaßen zufrieden“, sagt er. Angesichts der schwierigen Lage, in der Deutschland stecke, seien zehn Prozent eine „solide Basis“. Es sei doch so: „Die Menschen sind verunsichert. Und wir stellen halt den Kanzler.“
Stimmt schon: Über Landespolitik spricht gerade keiner, über Energiesorgen und die Frage, ob der Kanzler wirklich alles im Griff hat, dagegen alle. Auf den Scholz-Bonus im Frühjahr folgt der Scholz-Malus im Herbst. Andererseits: Auch wenn es um Landespolitik geht, dringt die SPD nur selten durch. „Ihr Grundproblem ist und bleibt die fehlende Sichtbarkeit“, sagt die Politologin Ursula Münch.
Dabei sollte mit von Brunn doch alles besser werden. Der 53-Jährige gilt als rauflustig, schätzt den Streit, provoziert auch mal, wenn es sein muss. In Partei und Fraktion schätzt ihn dafür – vorsichtig gesagt – nicht jeder. Aber um eine Partei ins Gespräch zu bringen, sind das nicht die schlechtesten Eigenschaften.
Gefruchtet hat das bislang nicht. Hinzu kommt: Von Brunn, immerhin SPD-Spitzenkandidat in spe, ist weder sehr bekannt noch sehr populär. Nur zwölf Prozent der Befragten im Bayerntrend sehen ihn positiv (zwei Punkte weniger als im Januar). Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte sich unlängst einen bösen Spaß aus der geringen Bekanntheit des Kollegen, nannte ihn „Herr von Dings“. Kühler kann man einen potenziellen Herausforderer kaum abkanzeln.
Beim Parteitag am 22. Oktober soll von Brunn zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt werden. Mögen andere die Sache aussichtslos finden, er selbst tut das nicht. Es könne auch schnell wieder bergauf gehen, sagt er. Die Hilfsmaßnahmen vom Bund müssten jetzt sitzen, vielleicht müsse man eine zweite Abschlagzahlung beim Gas übernehmen. In den nächsten Monaten will er viel unterwegs sein, unter die Leute gehen. Überhaupt: Im Bundestagswahlkampf habe die SPD auch lange hinten gelegen, 14 Prozent noch im Juni, jetzt stellt sie den Kanzler. „So einen Aufschwung halte ich auch in Bayern für denkbar.“ Ein knappes Jahr ist ja noch Zeit. MARCUS MÄCKLER