Regierung stolpert in der Atompolitik

Des Kanzlers (zu) spätes Machtwort

von Redaktion

VON GEORG ANASTASIADIS

Der nukleare Störfall, vor dem die Grünen seit ihrer Gründung unentwegt warnen, ist nun ausgerechnet in der Berliner Ampelkoalition eingetreten. Das Machtwort des Kanzlers kommt spät, zu spät. Der Schaden ist bereits irreparabel, und zwar für alle Beteiligten. Ausgerechnet in der deutschen Schicksalsfrage – der Versorgung von Europas größter Industrienation mit bezahlbarer Energie – hat sich die Koalition als tief zerstritten erwiesen.

Dafür trägt der Kanzler die Hauptverantwortung: Obwohl von Woche zu Woche deutlicher erkennbar wurde, wie sehr sich Grüne und FDP in der Frage des Weiterbetriebs der Atommeiler verkeilten, merkelte Olaf Scholz vor sich hin, statt mit Verweis auf seine Richtlinienkompetenz früh einen Kompromiss zu erzwingen – bevor sich Grüne und FDP in ihren Positionen eingemauert hatten. Nachdem der Grünen-Parteitag die Bestellung neuer Brennstäbe jetzt quasi bei Androhung der Todesstrafe verboten hat, blieb der Koalition als kleinster gemeinsamer Nenner eigentlich nur noch der viermonatige Weiterbetrieb auch des dritten noch aktiven AKW (im Emsland), als Notreserve. Den hat Scholz nun angewiesen.

Diese Minimallösung aber wird in keiner Weise der Dramatik der Lage gerecht und nützt am Ende niemandem wirklich: Die bis zuletzt uneinsichtigen Grünen trifft – nach dem Machtwort des Kanzlers erst recht – der Vorwurf der ideologischen Verbohrtheit. Die FDP, die richtigerweise den Weiterbetrieb der drei AKW bis mindestens 2024 verlangte, muss sich eingestehen, mal wieder über den Tisch gezogen worden zu sein. Und der SPD-Kanzler muss den übernächsten Winter (mindestens) ebenso fürchten wie den kommenden: Der nächste Strom-Blackout ist dann sein Blackout.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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