Selten ist ein Regierungschef in so kurzer Zeit so tief gefallen wie Liz Truss. Ihre Autorität in der konservativen Partei ist (sofern sie je existierte) hin, ihr riskanter Steuerplan inzwischen komplett zerpflückt vom neuen Finanzminister, ihre Zustimmungswerte unter den Briten sind desaströs. Menschlich mag es nachvollziehbar sein, dass die Premierministerin sich nicht nach ein paar Wochen im Amt abservieren lassen will. Politisch ist es untragbar.
Wahrscheinlich ist, dass sich Truss allenfalls noch ein paar Tage halten kann. Wahrscheinlich ist leider auch, dass die Tories versuchen werden, die Frage über ihre Nachfolge erneut unter sich zu regeln. Truss – wie vor ihr auch Boris Johnson – kam ja nicht durch eine Parlamentswahl an die Macht, sondern wurde von ihrer Partei zur Vorsitzenden gewählt, auf die dann auch das Amt des Premiers überging. Ein drittes Mal seit 2019 dürfen sich die Konservativen ein solch inzestuöses Macht-Manöver nicht erlauben, dazu fehlt ihnen schlicht und einfach die Legitimation. In Umfragen liegen sie weit, sehr weit hinter Labour. Die Krise betrifft nicht nur die Premierministerin, sie betrifft die ganze lahmregierte Tory-Partei.
Die Briten brauchen nach Monaten der politischen Intrigen und des Chaos einen Neustart und den wird es nur durch Neuwahlen geben. Den Gefallen sollten sich die Tories übrigens selbst tun. Manche rufen schon nach einer Rückkehr des gerade erst (aus guten Gründen) zurückgetretenen Johnson. Wer das nötig hat, sollte sich vielleicht wirklich ein paar Jahre Opposition verordnen.
Marcus.Maeckler@ovb.net