München – Der Mann, der seit Jahrzehnten kein Salz mehr isst, hat in jungen Jahren ein einziges Mal zum Joint gegriffen. Er habe die Wirkung des Cannabis damals als „sehr angenehm empfunden“, hat Karl Lauterbach einmal dem „Spiegel“ erzählt. Auf weitere Erfahrungen mit der Droge habe er danach aber trotzdem verzichtet, sagt der SPD-Politiker.
Heute ist Lauterbach Bundesminister in einer Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Und diese Ampel-Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Da Lauterbach für das Ressort Gesundheit zuständig ist, fällt diese Aufgabe zu großen Teilen ihm zu – und nun geht er sie offensichtlich an.
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf ein Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums berichtet, könnten Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis ab dem Alter von 18 Jahren künftig grundsätzlich straffrei sein. Auch soll der Eigenanbau von bis zu zwei Cannabis-Pflanzen erlaubt werden. Einschränkungen: Die Menge des berauschenden Wirkstoffs THC im legalisierten Cannabis solle maximal 15 Prozent betragen dürfen. Und um „cannabisbedingte Gehirnschädigungen“ zu verhindern, dürften an Menschen von 18 bis 21 Jahre nur Produkte mit einem THC-Gehalt von höchstens 10 Prozent verkauft werden.
Grundsätzlich könnte Cannabis demnach auch rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Würden Jugendliche unter 18 mit Cannabis erwischt, solle Straffreiheit gelten. Allerdings sollten Jugendämter sie dann zur Teilnahme an Präventionskursen verpflichten. Zudem solle das mitgeführte Cannabis beschlagnahmt werden. In der Nähe von Schulen oder Kinder- und Jugendeinrichtungen soll der Verkauf verboten sein, und es soll untersagt bleiben, für Cannabis-Produkte zu werben. Zur Besteuerung heißt es, Umsätze mit Cannabis unterlägen der Umsatzsteuer. Zudem solle es eine „Cannabissteuer“ geben. Der höchstmögliche Tarif müsse einschließlich Umsatzsteuer zu einem Endpreis führen, „welcher dem Schwarzmarktpreis nahekommt“.
Die Reaktionen auf das in der Regierung noch nicht abgestimmte Papier könnten kaum unterschiedlicher sein: Während den Grünen und der FDP der beschränkte THC-Gehalt und die Eigenanbau-Obergrenze eher zu restriktiv erscheinen, gehen Lauterbachs Pläne der CSU bereits viel zu weit. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek appelliert sogar direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der seinen Minister stoppen müsse. Es drohe „eine weitere Verharmlosung der Risiken durch diese Droge“, sagt Holetschek. „Es darf nicht sein, dass die Hemmschwelle sinkt und noch mehr Menschen als bisher Cannabis konsumieren. Aber genau diese Gefahr besteht bei der im Berliner Koalitionsvertrag geplanten Abgabe für ,Genusszwecke‘.“ Wenn es stimme, dass sogar erlaubt werden solle, Cannabis online zu erwerben, sei das völlig unverantwortlich, kritisiert der Bayer.
Experten sehen vor allem bei jungen Menschen Gefahren durch Cannabis-Konsum, da die Droge die Entwicklung des Gehirns beeinflusse. Folgen können der dauerhafte Verlust von Konzentrations- und Lernfähigkeit sowie Motivation sein. Sorgen bereitet Medizinern und der Polizei auch, dass der Wirkstoffgehalt im vergangenen Jahrzehnt immer größer geworden sei. Zudem wird Cannabis auf dem illegalen Schwarzmarkt mitunter gestreckt oder es werden synthetische Wirkstoffe hinzugefügt, was ein Gesundheitsrisiko darstellt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Cannabis eine Einstiegsdroge für härtere Drogen sein könne.
Jedoch nimmt die Ampel für sich in Anspruch, genau diese Probleme zu mildern. Durch die Abgabe in Lizenz-Geschäften werde „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, steht im Koalitionsvertrag. mit dpa