Mal fünfe grade sein lassen – auch das gehört zum Charme der Wiesn. Bei der Schankmoral verstehen viele Münchner keinen Spaß. Die Stadt kontrolliert, ob die Krüge auch wirklich korrekt gefüllt sind, und wo sonst hätte sich ein „Verein gegen betrügerisches Einschenken“ gründen können. Dass dessen Arbeit nötig ist, zeigen die Messungen auf der diesjährigen Wiesn. Nur 14,3 Prozent der Krüge enthielten wirklich einen Liter Bier.
Nun ist eine gewisse Schlitzohrigkeit beim Befüllen der Krüge auch quasi Tradition. So beobachtete Günther Jauch als junger Radioreporter Anfang der 1980er-Jahre, wie es einem Schankkellner gelang, aus einem 200-Liter-Fass stolze 289 Mass Bier zu zapfen. Eine herrliche Anekdote – wer allerdings einen schlecht eingeschenkten Krug vor sich stehen hat, dem fehlt meist das Verständnis für eine ausbaufähige Schankmoral. Zumal die Wirte heuer für die Mass Preise von bis zu 13,80 Euro aufgerufen haben.
Wenn alles teurer und die Mass zur Mogelpackung wird, ist das ärgerlich. Und wenn man bedenkt, dass auf der Wiesn heuer 5,6 Millionen Liter Bier verkauft wurden, wird schlechtes Einschenken gar zum Wirtschaftsfaktor. Und selbst wenn man sich vornimmt, fünfe grade sein zu lassen: Rekordpreise auf der einen, schlecht eingeschenkte Krüge auf der anderen Seite hinterlassen einen schalen Nachgeschmack.
Marc.Kniepkamp@ovb.net