Berlin – Europa will mehr Frontex-Beamte auf die Balkanroute schicken, um die drastisch steigenden Flüchtlingszahlen in den Griff zu bekommen. Bisher seien 300 Beamte am Westbalkan stationiert, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Abend in Berlin. Man wolle nun in neuen Verhandlungen erreichen, dass auch Frontex-Personal zwischen den einzelnen Westbalkan-Staaten stationiert werde.
Die Zahlen auf der Route steigen. Bis Ende August kamen nach EU-Angaben mehr als 86 000 Menschen auf diesem Weg in die EU; zu einem hohen Anteil erklärten sie, Syrer oder Afghanen zu sein. Das sind dreimal mehr als im Vorjahreszeitraum. Europa wirkt bislang überfordert. In Berlin hat deshalb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Amtskollegen aus 17 europäischen Staaten zusammengetrommelt, darunter Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Österreich, Polen, Slowenien, Tschechien und Großbritannien sowie die sechs Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien.
Faeser bekannte sich nach dem Treffen indirekt dazu, nur Migranten ins Land lassen zu wollen, „die vor Krieg und politischer Verfolgung zu uns fliehen“. Man wolle die „steigende irreguläre Migration reduzieren“. Die europäische Grenzwache Frontex soll ein Baustein dabei sein. Faeser und Johansson wollen aber auch den Druck auf Serbien verstärken. Das Land lässt zahlreiche Bürger visafrei – vor allem über den Luftweg – einreisen. Es gibt Vorwürfe, dass vor allem Bürger aus jenen Staaten willkommen sind, die wie Serbien eine Anerkennung der Unabhängigkeit des benachbarten Kosovo ablehnen. In der Summe registriert die EU einen sprunghaften Anstieg von Flüchtlingen aus Indien, Tunesien, Burundi und Kuba, die kaum Chancen auf Asyl haben.
Im vagen Diplomaten-Duktus der EU-Kommissarin wird daraus die Forderung, man müsse die „Visa-Politik angleichen“. Hinter den Kulissen wurde unter anderem Faeser deutlicher, drohte Belgrad mit einem Nachteil für die EU-Beitrittsgespräche. Aus Serbien war in den vergangenen Tagen ein Signal des Einlenkens zu hören.
Zugleich gibt es gemeinsame Gespräche von Österreich, Ungarn und Serbien, härter gegen die kriminellen Schleuser und die Migranten vorzugehen. Anfang Oktober hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán beklagt, die Grenze werde regelrecht „belagert“. Schleuser setzten inzwischen scharfe Schusswaffen ein.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER