WIE ICH ES SEHE

Glücklich, wer einen Ofen hat

von Redaktion

Wie wir heute eine Heizung der Firma Viessmann aus Allendorf (Eder) in Nordhessen im Keller haben, so kamen schon vor 200 Jahren in Eisen gegossene „Feuerkästen“ bevorzugt aus der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Die Eisenhütten in Hainer und Veckerhagen an der Weser sind die bekanntesten Ofen-Exporteure gewesen. Da die Öfen im Mittelpunkt des häuslichen Lebens standen, wurden sie geschmückt. Mit Bildern aus dem Alten wie Neuen Testament waren sie oft wie eine „Bibel aus Eisen“. Der Ofenbauer und Formenschneider Philipp Soldan war hier Meister und auch er kam aus Nordhessen. Seine Heimatstadt Frankenberg/Eder ehrt ihn bis heute.

Nordhessen ist aber auch die Heimat des Malers Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der mit Goethe in Italien war und später in Eutin gewirkt hat. Die Öfen des dortigen Töpfers und Kachelofenbauers Niemann hat er mit Bildern von Göttern und Göttinnen des Olymps und Helden der Ilias und der Odyssee herrlich ausmalen lassen. Als „Tischbein Öfen“ sind sie heute noch im Eutiner Schloss sowie in machen Bürgerhäusern dort zu besichtigen.

Besonders großartig sind darunter die „Schwanenöfen“, denen ein ausdrucksvoller weißer Schwan aufgesetzt war. Er sollte an die Liebesszene erinnern, wie Gottvater Zeus in der Gestalt eines Schwanes die schöne Leda schwängert. Aus dieser nach Goethe „lieblichsten von allen Szenen“ gingen die schöne Helena und deren Brüder Kastor und Pollux hervor.

So stehen die Tischbein-Kachelöfen auch für die Verbindung von Ofen und Erotik.

Diese gab es auch im täglichen Leben. Denn jeder Hausofen strahlt doch die lebendige Wärme des Daseins aus. Heiratswillige Mädchen strickten und webten am Ofen. Sie dachten an wärmende Liebe und einen zugehörigen Mann: „Lieber Ofen, gib mir einen lieben Mann, aber keinen alten, den kannst du gerne behalten.“

Immer ging es aber vor allem auch darum, die Öfen in ihrer Heizkraft produktiver zu machen. Hier war der Kachelofen, der Wärme speichern kann, natürlich dem reinen Eisenofen von Anfang an überlegen. Dazu aber wurden von den Behörden wie von den Benutzern Öfen gefordert, die mit möglichst wenig Holz möglichst viel Heizkraft entwickeln.

Das könnte wieder mehr Bedeutung bekommen, wenn im kommenden Winter bei den hohen Preisen aller Energie bis zum Holz der gute alte Ofen wieder unentbehrlich werden könnte. Glücklich, wer überhaupt noch einen Ofen hat. Es muss ja nicht jeder über einen Tischbein-Ofen mit Schwan verfügen. Und was Zeus und Leda angeht, dazu kann man auch ein bekanntes Gemälde von Leonardo da Vinci anschauen.

Die erotische Beziehung von Ofenwärme und Liebe aber darf auch in unseren Zeiten gerne wieder aufblühen. Der Dichter Joachim Ringelnatz hatte dazu schon die richtige Liebeserklärung gefunden: „Ich liebe Dich so sehr, ich würde Dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken.“

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VON DIRK IPPEN

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