Brüssel – In der EU wird es für Verbraucher und Unternehmen auf absehbare Zeit keine tiefgreifenden Markteingriffe zur Absenkung der hohen Energiepreise geben. Bei einem Gipfeltreffen in Brüssel blockierte insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz Entscheidungen zu einem möglichen Preisdeckel für Gas, das zur Stromerzeugung genutzt wird. Konkret gearbeitet werden soll zunächst nur an einem Preisdeckel zur Begrenzung extremer Ausschläge.
In der aktuellen Lage hätte das Instrument jedoch noch keine Wirkung. Es käme erst zum Einsatz, wenn etwa Manipulationen wie der russische Lieferstopp über Nord Stream 1 die Preise hochtreiben. Auch Details sind weitgehend unklar. Dennoch habe der Gipfel-Deal schon jetzt dazu geführt, dass die Preise runtergegangen sind, sagte Ratschef Charles Michel.
Etliche Staats- und Regierungschefs reklamierten das Gipfel-Ergebnis als Erfolg. „Das alles ist gelebte europäische Solidarität“, sagte Kanzler Scholz, dem vor dem Treffen von vielen Staaten Egoismus in der Energiekrise vorgeworfen worden war. „Wir haben uns zusammengerauft.“ Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki nannte das Ergebnis gut für Polen und auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer verkündete „gute Nachrichten“.
Tatsächlich blieb der Gipfel-Kompromiss allerdings vage. Vereinbart wurde ein „Fahrplan“ für die kommenden Wochen und Monate. Als Nächstes sollen sich die Energieminister am Dienstag mit dem Vorhaben des Gaspreisdeckels gegen extrem hohe Preise befassen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab sich sicher, dass ein „dynamischer Preiskorridor“ eingeführt wird. Scholz verwies dagegen darauf, dass noch „viel technische Arbeit zu leisten“ sei. Ihm zufolge müssen die Fachminister eine mögliche Entscheidung bei dem Thema einstimmig fällen, andernfalls werde sich ein EU-Gipfel noch einmal damit befassen. Geregelt ist eigentlich, dass in der Energiepolitik mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden kann.
Bei anderen Gipfel-Teilnehmern sorgten Scholz’ Äußerungen für Irritationen. Der Kanzler setzt sich seit Monaten dafür ein, seltener auf das Einstimmigkeitsprinzip zu setzen, um die EU etwa in Fragen der Außenpolitik handlungsfähiger zu machen. Scholz wischte derlei Hinweise nach dem Gipfel beiseite. Zudem sei er zuversichtlich, dass die Minister sich einigen werden.
Deutschland sah Preisdeckel aller Art bislang kritisch. Berlin befürchtet, dass Lieferanten ihr Gas nicht mehr in die EU, sondern an andere Länder verkaufen könnten. Scholz betonte nach dem Gipfel schließlich, bei dem geplanten Instrument handele es sich nicht um einen Deckel. Es ziele nur auf extreme Preisausschläge, die „manchmal nur an einem Handelstag für zwei, drei Stunden oder zwischen zwei Handelstagen stattfinden und nur auf Spekulation zurückzuführen sind“. Bei den Verhandlungen dürfte Berlin versuchen, das Instrument so zu konzipieren, dass es selten oder gar nicht angewendet wird.
Weniger umstritten war, die Möglichkeit für gemeinsame Gaseinkäufe zu schaffen. Ziel ist, dass Unternehmen sich auf freiwilliger Basis für Einkäufe zusammenschließen und so die Preise drücken können. „Das ist ein großer Fortschritt, weil bisher das Wettbewerbsrecht gegen solche Aktivitäten steht“, sagte Scholz. Noch in diesem Jahr hatten sich die Länder auf dem Gasmarkt teils gegenseitig überboten.
Weitreichendere Ergebnisse gab es beim Gipfel auch deshalb nicht, weil Deutschland und Frankreich in Schlüsselfragen über Kreuz liegen. Immerhin wollen Scholz und Emmanuel Macron sich nächste Woche in Paris zu zweit treffen. „Wir arbeiten also weiter und vertreten nicht immer die gleichen Positionen, was normal ist“, sagte Macron. Allzu zuversichtlich klang das nicht.