Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das Finanzierungssystem der Kliniken radikal umstellen. Dafür sollen vermehrt ambulante Behandlungen durchgeführt werden. Heute will der Minister mit seinen Kollegen aus den Ländern in Magdeburg über erste Schritte der Reform diskutieren. „Wir machen sehr viel stationär, was eigentlich ambulant oder ohne Übernachtung des Patienten gemacht werden könnte“, sagte der Gesundheitsminister im ZDF. Es gebe in Deutschland 50 Prozent mehr stationäre Aufnahmen als in den umliegenden Ländern, ohne dass dies die Qualität der Versorgung verbessere. Mit mehr ambulanten Behandlungen könne auch Pflegepersonal für die Nachtschichten eingespart werden. „Das ist eine große Reserve“, erklärte Lauterbach.
In einem ersten Schritt sollen Kinderkrankenhäuser Zuschläge zu den Fallpauschalen bekommen, die sich nach zusätzlichem Bedarf richten. 300 Millionen Euro soll dies insgesamt kosten, 120 Millionen sollen in die Geburtshilfe gesteckt werden. Ob das über den Haushalt oder die Krankenkassen finanziert werden soll, ist noch umstritten.
In spätestens zwei Mona-ten will Lauterbach die Ergebnisse einer Kommission zu einer Neuordnung der Finanzen vorlegen. Diese Kommission habe sich bereits 40 Mal getroffen und sei bewusst nicht mit „Lobbyisten“ etwa aus Versicherungen besetzt worden, sondern mit Experten, erklärte Lauterbach.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) nannte Lauterbachs Pläne unausgereift und zu wenig ambitioniert. Die Kliniken bräuchten angesichts der Inflation und der enorm gestiegenen Energiepreise rasche Unterstützung. „Bis die Reform Effekte zeigt, dauert es jedoch. Ich erwarte deshalb finanzielle Soforthilfen für Kliniken“, so Holetschek. Die Herausnahme der Behandlung von Kindern und Jugendlichen aus der Fallpauschale begrüßte Holetschek: „Dies entspricht einer seit geraumer Zeit erhobenen Forderung Bayerns.“
Bislang werden bis zu 90 Prozent des Budgets deutscher Krankenhäuser über das Fallpauschalen-System abgewickelt. Alle Untersuchungen und Therapien in Kliniken werden dafür in rund 1300 Einzelposten aufgeschlüsselt, die jeweils mit einem Festbetrag honoriert werden. Die Höhe der Pauschale wird jährlich neu kalkuliert. Basis dafür sind die durchschnittlichen Behandlungskosten, die in 250 bis 300 Kliniken erhoben werden. Zudem werden die Gesamtausgaben beispielsweise durch Operations-Obergrenzen gedeckelt.
Der Pflegewissenschaftler Michael Simon kommt in einer Studie für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung zu dem Ergebnis, dass bei den Pauschalen Patienten mit teils sehr unterschiedlichen Beschwerden zu gleichen Fallgruppen zusammengefasst würden. So entstünden „Kostenunterschiede, die es für Krankenhäuser lukrativ machen, selektiv nur wenig kostenaufwendige Patientengruppen zu behandeln“. Zudem habe die Kostendeckelung nach Einführung der Fallpauschale dazu geführt, dass zwischen 2002 und 2006 rund 33 000 Vollzeitstellen in der Pflege abgebaut wurden. KLAUS RIMPEL