Moskau schürt erneut die Atom-Angst

von Redaktion

Kreml streut Gerüchte über eine „schmutzige Bombe“ der Ukraine – der Westen warnt vor einer Eskalation

München – Acht Monate Krieg in der Ukraine und die russischen Truppen werden immer weiter zurückgedrängt. Jetzt greift Moskau zu einer anderen Militärstrategie und warnt vor einer Lage, die sich zuspitzt und in einer „unkontrollierten Eskalation“ enden könne. Doch was steckt hinter dieser Warnung wirklich?

In einem Telefonat mit dem französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hat der russische Amtskollege Sergej Schoigu behauptet, Kiew plane den Einsatz einer „schmutzigen Bombe“. Auch der britische Minister Ben Wallace und der türkische Amtsinhaber Hulusi Akar wurden von Schoigu darüber informiert. Moskau schlägt Alarm: Die Ukraine sei bereit, eine solche Bombe auf eigenem Boden zu zünden, „um eine starke antirussische Kampagne zu starten, die das Vertrauen zu Moskau untergraben soll“.

Als „schmutzige Bombe“ werden konventionelle Sprengsätze bezeichnet, denen auch radioaktives Material beigemischt wird. Werden die Sprengsätze gezündet, verteilen sich die Stoffe in der Umwelt. Laut Bundesamt für Strahlenschutz ist die radiologische Gefahr für Menschen einer solchen Bombe im Allgemeinen aber beschränkt. Es komme aber darauf an, welche Art von nuklearen Stoffen der Bombe beigefügt werden.

Die Ukraine und die westlichen Atommächte wiesen die russischen Behauptungen vehement zurück. Die Ukraine verfügt seit dem Zerfall der Sowjetunion über keine Atomwaffen mehr. Dennoch schüren die Vorwürfe aus Moskau bewusst Angst, Angst vor einem atomaren Gegenschlag. „Die Russen beschuldigen andere oft dessen, was sie selber planen“, erklärte auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf dem Nachrichtendienst Twitter. Die „russischen Lügen“ über solche Pläne „sind so absurd, wie sie gefährlich sind“, sagte Kuleba. Ähnlich sieht es der französische Politologe Jean-Marie Guéhenno. „Wenn der russische Verteidigungsminister seine Kollegen glatt anlügt, ist das unverantwortlich und gefährlich.“

Der Westen bemüht sich derweil, die Behauptungen des Kremls als eine üble Militär-Strategie zu entlarven. Frankreich, Großbritannien und die USA gaben in einem gemeinsamen Statement bekannt: „Die Welt würde jeden Versuch durchschauen, diese Behauptung als Vorwand für Eskalation zu nutzen.“ Trotzdem bleibt der Westen wachsam. „Jede Drohung mit Nuklearwaffen müssen wir ernst nehmen“, erklärte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Veränderungen – auch in russischen Übungsszenarien – würden genau beobachtet. Die US-Regierung sieht bisher keine Hinweise auf einen möglichen russischen Einsatz einer nuklear verseuchten Bombe, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby.

Fest steht, dass der russische Angriffskrieg für Präsident Wladimir Putin nicht nach Plan läuft. Die Ukraine konnte seit Anfang des Monats deutliche Geländegewinne erzielen. Im besetzten Gebiet Cherson musste die russische Militärverwaltung bereits 25 000 Zivilisten evakuieren. Indizien für einen möglichen Abzug der russischen Truppen häufen sich.

Laut dem Moskauer Politologen Wladimir Frolow ist das auch der vermutliche Grund für Putins indirekte Atom-Drohung. Russland könne das ukrainische Militär nicht stoppen und wende sich deshalb an die Staaten, die Einfluss auf die Ukraine hätten, schrieb Frolow auf Twitter. Russland beharrt derweil weiterhin auf seiner Version und will den Fall vor die Vereinten Nationen bringen.  hud

Artikel 3 von 11