Viele dürften aufgeatmet haben nach dem knappen Wahlsieg Lula da Silvas, des Kandidaten der brasilianischen Arbeiterpartei, gegen den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro. Der Ex-Militär Bolsonaro, der das 215-Millionen-Land vier Jahre lang schlecht regiert hat, war für die Demokratie ähnlich gefährlich wie Trump in den USA. Er missachtete den Rechtsstaat, beschimpfte Frauen und Journalisten auf das Übelste, opferte den Regenwald der Profitgier und ignorierte das Coronavirus. Fast 700 000 Brasilianer starben an oder mit Covid, also auch gemessen an der Einwohnerzahl viel mehr als in Deutschland. Bolsonaro, zuvor Hinterbänkler im Parlament, hatte 2018 nur gewinnen können, weil so viele Brasilianer unzufrieden mit der tief korrupten Arbeiterpartei waren.
Ähnlich wie US-Präsident Joe Biden steht Lula vor der Herkules-Aufgabe, ein gespaltenes Land zu einen. Mit mehr Wohlstand wird er seine Landsleute in einer weltweiten Krise kaum locken können. Aber er muss, so wie im Wahlkampf, politisch um die Mitte werben. Denn er sieht sich wie Biden einer Opposition gegenüber, deren Anhänger zum Teil bereit wären, ihn gewaltsam zu stürzen. Für die Demokratie ist es ein Segen, dass Lula gewonnen hat. Aber dass es so verdammt knapp war, zeigt, wie groß die autoritäre Gefahr geworden ist.
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