Netanjahus schwierige Partner

von Redaktion

VON CHRISTINA STORZ

Tel Aviv – Viel stand für den früheren Regierungschef Benjamin Netanjahu bei der Parlamentswahl in Israel auf dem Spiel. Am Tag der fünften Wahl in nur dreieinhalb Jahren gab der Oppositionsführer – gegen den aktuell ein Korruptionsverfahren läuft – noch mal alles. Er richtete dramatische Appelle an seine Wählerschaft und holte höchstpersönlich einen jungen Mann aus dem Bett, um ihn zum Wählen zu animieren. Am Ende scheinen sich seine Notrufe ausgezahlt zu haben. Nach Auszählung fast aller Stimmen geht seine Partei, der rechtskonservative Likud, als stärkste Kraft hervor. Sein Lager, das erstmals eine rechtsextreme Partei umfasst, kann sich über eine deutliche Mehrheit freuen.

Damit könnte die zukünftige Regierung unter Netanjahu (Spitzname: Bibi) so rechts werden wie noch nie zuvor. Zu seinem Pro-Bibi-Lager gehört die Religiös-Zionistische Partei von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir. Das Bündnis, das von Netanjahu vermittelt wurde, ging bei der Wahl als drittstärkste Kraft hervor und vertritt radikale Positionen. Vor der Wahl titelte die Zeitung „Times of Israel“, dass sie: „bis zum Äußersten gehen, so weit, wie es selbst Europas Extreme nicht wagen würden“.

Vor wenigen Jahren hatte Netanjahu noch eine Zusammenarbeit mit Ben-Gvir ausgeschlossen. Nun könnte das Bündnis dem Langzeit-Regierungschef allerdings in seinem Korruptionsprozess in die Hände spielen. Smotrich hatte bereits ein radikales Programm angekündigt, um das Justizsystem in Israel zu schwächen. Er strebt etwa die Streichung der Delikte Untreue und Betrug aus dem Gesetz an – was auch die Aufhebung des Verfahrens gegen Netanjahu bewirken könnte. Der Direktor des Israelischen Demokratie-Instituts, Jochanan Plesner, warnt, dass durch die Umsetzung die Gewaltenteilung geschwächt und Israel der systematischen Korruption ausgesetzt werden könnte.

Smotrich selbst strebt „die Einrichtung einer rechten, jüdischen, zionistischen und nationalen Regierung“ an, wie er am Wahlabend sagte. Seine Anhänger feierten ihn bereits als „den neuen Verteidigungsminister“. Sein politischer Partner, der rechtsextreme Ben-Gvir, gilt als politischer Brandstifter. Erst kürzlich zückte er bei Auseinandersetzungen mit Palästinensern in Ost-Jerusalem eine Waffe. Generell sollte seiner Ansicht nach mehr „mit scharfer Munition gegen palästinensische Randalierer“ geschossen werden. Der bereits wegen rassistischer Hetze verurteilte 46-Jährige strebt das Ministerium für innere Sicherheit an – und hätte damit auch die Polizei unter sich. Das von Israel besetzte Westjordanland will er annektieren, die arabische Bevölkerung zum Auswandern animieren: Europa brauche „arbeitende Hände“, sagt er.

Doch das Bündnis könnte für Netanjahu auch unbequem werden. Er müsse das Lager bändigen und es werde schwierig werden, sie im Zaum zu halten, sagt Politikwissenschaftlerin Gail Talschir von der Hebräischen Universität. Als Preis für ihre Stimmen würden Smotrich und Ben-Gvir hohe Gegenleistungen erwarten.

Während sich der derzeitige liberale Ministerpräsident Jair Lapid zuletzt überraschen deutlich für einen Palästinenserstaat ausgesprochen hatte, dürfte der brachliegende Friedensprozess unter Netanjahu eine untergeordnete Rolle spielen. Dagegen dürfte Bibi nach Ansicht von Politikwissenschaftlerin Talschir den Kampf gegen den Iran – wie in seinen vorherigen Amtszeiten – ins Zentrum seiner Agenda rücken.

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