Die Welt ringt um eine Ukraine-Diplomatie

von Redaktion

VON LEONIE HUDELMAIER

München – Wie kann es Frieden in der Ukraine geben? Diese Frage treibt Politiker, Friedensforscher und auch manch einen Philosophen seit über acht Monaten um. Doch für Friedensgespräche zwischen Moskau und Kiew sind die Fronten zu verhärtet. Während sich der Kreml immer wieder betont gesprächsbereit gibt, erteilt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einem Dialog wiederholt eine Absage. Russland meine es nicht ernst, heißt es. Der Standpunkt der Ukraine sei klar: Russland müsse die Grenzen der Ukraine respektieren. Das beinhaltet wohl auch die ziemlich unwahrscheinliche Zurückeroberung der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim, wie Selenskyj immer wieder betont.

Doch jetzt bekommt die Ukraine Druck von niemand Geringerem als ihrem stärksten Verbündeten – den USA. Wie die „Washington Post“ berichtet, soll die US-Regierung Kiew dazu aufgefordert haben, sich nicht länger Friedensgesprächen zu verweigern. Zwar soll das Land nicht an den Verhandlungstisch gedrängt werden, allerdings soll auch sichergestellt werden, dass die ukrainische Regierung andere Nationen nicht verprellt.

Denn die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sind längst auch in anderen Teilen der Welt spürbar: ausbleibende Getreidelieferungen, Energie-Knappheit oder die Angst vor einer atomaren Eskalation. Der Wunsch nach einem schnellen Frieden wird stärker, die Rufe nach mehr Diplomatie werden lauter.

„Ukraine-Müdigkeit ist für einige unserer Partner eine reale Sache“, sagt ein US-Beamter der „Washington Post“. Schon Ende September diagnostiziert Richard Gowan von der Politikberatung Crisis Group afrikanischen und lateinamerikanischen UN-Mitgliedsstaaten genau diese Müdigkeit. „Wenn ich Selenskyj wäre, wäre ich ein bisschen vorsichtig“, mahnte er damals bei der UN-Vollversammlung. Nicht alle Staaten wollten Russland ständig angreifen.

Der Wunsch nach mehr Verhandlungs- statt Kriegstaktik ist ein Stimmungsbild, das auch der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich immer wieder für Deutschland zeichnet. Der SPD-Politiker will neben der „umfassenden Unterstützung der Ukraine“ auch der Diplomatie mehr Raum geben, wie er immer wieder betont. Laut dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend liegt das auch im Interesse der meisten Deutschen. 55 Prozent der Befragten finden, dass die diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung nicht weit genug gehen. Im Vergleich zur Juni-Befragung ist das ein Plus von 14 Prozent.

Diplomatische Bemühungen treibt offenbar bereits der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan voran. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, soll Sullivan in den vergangenen Monaten mit dem Kreml über das Thema Nuklearwaffen gesprochen haben. Die weitere diplomatische Strategie der US-Regierung ist offenbar nun, den Rückhalt der Ukraine aufrechtzuhalten, ohne dem Land dabei einen Diktatfrieden aufzuzwingen. Kein einfaches Unterfangen. Zumal die US-Regierung als größter Geldgeber der Ukraine eine Hilfe „so lange wie nötig“ versprochen hatte.

Doch die für heute anstehenden Midterm-Wahlen in den USA könnten die Ukraine-Unterstützung noch einmal kräftig durcheinanderwirbeln. Der oberste Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, hat bereits angekündigt, in Sachen Ukraine-Hilfen auf die Bremse drücken zu wollen. Inmitten einer Rezession könnten die USA der Ukraine keinen „Blankoscheck“ ausstellen.

Auch der wieder sehr präsente Ex-Präsident Donald Trump ist für sein Moskau-Verständnis bekannt. Bei den Wahlen wird also auch der Grundstein dafür gelegt, ob die USA künftig mit der Europäischen Union an einem Strang ziehen werden.

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