VON FRIEDEMANN DIEDERICHS
Aus deutscher Sicht dürfte häufig gefragt werden: Warum den heutigen Kongress-Zwischenwahlen in den USA besondere Aufmerksamkeit schenken? Schließlich geht es nur um die Neuwahl des Repräsentantenhauses und ein Drittel des Senats, aber nicht um den Präsidenten. Doch die Wahlen haben enormes Gewicht, ihr Ausgang könnte die amerikanische Außenpolitik ändern. Hinzu kommt eine Signalwirkung: Denn wenn die Weltmacht USA – die sich gerne als „Leuchtturm der Demokratie“ sieht – erneut erbitterte Debatten über die Legitimität des Wahlausgangs führt oder es gar zu den befürchteten Gewaltakten käme, könnten das die Autokraten in aller Welt als ermunterndes Signal sehen.
Sichern sich die Republikaner – wie es die meisten Demoskopen erwarten – die Mehrheit im Repräsentantenhaus, werden sie versuchen, die politische Agenda von Joe Biden zu torpedieren. Und unter den „Trumpisten“ im konservativen Lager träumen viele bereits davon, ungeliebte Mitglieder des Biden-Kabinetts wie Justizminister Garland und den Präsidenten selbst mit einem Amtsenthebungsverfahren zu überziehen. Wer gehofft hatte, dass die Vereinigten Staaten unter Joe Biden zu mehr innerer Einheit zurückfinden, hat sich leider geirrt.
Ein erster Leidtragender einer solchen Entwicklung könnte die Ukraine sein. Teile der Republikaner, die immer noch Sympathien für den Kriegsverbrecher Wladimir Putin haben, wollen die Militär- und Finanzhilfen für Kiew zurückfahren. Am Ende geht es dann auch um den Kopf Bidens. Denn die Debatte zu der Frage, ob der Präsident für eine zweite Amtszeit überhaupt geeignet ist, hat innerhalb der Demokraten längst Fuß gefasst.
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