Präsident Bidens leise Hoffnung

von Redaktion

VON CHRISTIANE JACKE

Washington – Joe Biden am Telefon, mit Pullover, Käppi und schiefem Lächeln auf dem Gesicht. Dieses Foto twittert der US-Präsident in der Wahlnacht. Der Demokrat hat gerade Parteikollegen zum Wahlsieg gratuliert. Das Bild beschreibt die vorläufige Lage nach den US-Zwischenwahlen ziemlich treffend. Für ein breites Grinsen von Biden ist der Wahlausgang noch zu ungewiss, richtig aufatmen kann der 79-Jährige noch nicht. Es ist allerdings schon jetzt klar, dass die Halbzeitwahlen deutlich glimpflicher für ihn enden als vorhergesagt. Biden nannte die Zwischenwahlen am Mittwoch einen „guten Tag für die Demokratie“ in den Vereinigten Staaten.

Die Midterm-Wahlen entscheiden darüber, wer künftig das Sagen im Kongress hat, was Biden in den kommenden zwei Jahren politisch noch ausrichten kann und wie sehr ihn die Republikaner im Parlament schikanieren können. Die Partei von Bidens Amtsvorgänger Donald Trump hatte auf einen überwältigenden Sieg gehofft. Doch der bleibt aus.

Auch am Tag nach der Wahl ist zunächst noch unklar, wer künftig den Kongress kontrollieren wird. Selbst wenn die Republikaner am Ende knapp die Mehrheit im Kongress erobern sollten, dürfte es für sie schwer werden, die eigenen Reihen zusammenzuhalten. Die Partei ist zerrissen zwischen radikalen Trump-Gefolgsleuten und Konservativen der alten Schule.

Viel verrät diese Wahl über Trumps Einfluss auf die Marschrichtung der Republikanischen Partei. Er unterstützte im Wahlkampf reihenweise Kandidaten. Es wird erwartet, dass Trump in der kommenden Woche seine Präsidentschaftsbewerbung für 2024 verkünden wird, nachdem er immer wieder wenig subtile Andeutungen gemacht hatte.

Einige besonders schillernde und teils radikale Kandidaten, die Trump offensiv unterstützte, verlieren: der umstrittene TV-Arzt Mehmet Oz etwa, der sich in einem aufsehenerregenden Rennen gegen den Demokraten John Fetterman um einen Senatssitz in Pennsylvania bewarb. Oder der Gouverneurskandidat in Pennsylvania Doug Mastriano – ein glühender Trump-Anhänger, der bei der Präsidentschaftswahl 2024 als Wahlleugner auf dem Posten hätte gefährlich werden können. Gouverneure sind in den USA in die Bestätigung von Präsidentschaftsergebnissen eingebunden.

Dagegen gewinnen einige Gegner Trumps aus der eigenen Partei gegen Kandidaten der Demokraten, etwa im Schlüsselstaat Georgia: der dortige Gouverneur, Brian Kemp, und der oberste Wahlaufseher des Staates, Brad Raffensperger, setzen sich durch. Auch Trumps größter innerparteilicher Rivale Ron DeSantis gewann klar die Gouverneurswahl in Florida. DeSantis steht Trump inhaltlich in nichts nach, teilt aber nicht dessen Hang zu Skandalen und Chaos. Manche Kritiker halten ihn deswegen für gefährlicher als Trump. Laut einem CNN-Bericht soll Trump wütend über den Ausgang der Zwischenwahlen sein – er soll Mitarbeiter „angeschrien“ haben. Er selbst nannte die bisherigen Ergebnisse in „gewisser Weise etwas enttäuschend“. Gleichzeitig sieht Trump aber auch einen persönlichen Erfolg.

Der Ex-Präsident hat einem erstaunlichen Anteil der Bevölkerung erfolgreich eingeflüstert, dass sie dem US-Wahlsystem nicht trauen können. Laut einer aktuellen Nachwahlbefragung glaubt ein Drittel der Amerikaner, dass Biden 2020 nicht rechtmäßig gewählt wurde.

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