Nusa Dua/Bali – Unpassender könnte die Kulisse für dieses G20-Gipfeltreffen kaum sein. Ein 5-Sterne-Luxushotel mit 60 Meter langem Pool, der sich, von Palmen gesäumt, bis an einen weißen Traumstrand mit türkisfarbenem Wasser erstreckt. Mit dem Zustand der Welt da draußen, mit dem sich die mächtigsten Staats- und Regierungschefs in den nächsten Tagen auf der indonesischen Ferieninsel Bali befassen werden, hat diese abgeschottete Urlaubsidylle rein gar nichts zu tun.
Russland führt seit fast neun Monaten Krieg gegen die Ukraine. China droht Taiwan mit einer Invasion. Energieknappheit und Inflation erschüttern die Weltwirtschaft. In Afrika und Asien spitzen sich die Hungerkrisen zu. Selbst die Gefahr eines Atomkriegs ist wieder real. Und die G20, diese zur Bewältigung globaler Krise gegründete Staatengruppe, ist so zerrüttet wie noch nie in den 23 Jahren ihres Bestehens. Beim Gipfel auf Bali wird sich nun zeigen, ob sie überhaupt noch etwas zustande bringen kann.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat den Sinn des diesjährigen Gipfels insgesamt infrage gestellt. Die westlichen Mitglieder ächten Russland, seit Wladimir Putin den Einmarsch befohlen hat. Russland hat aber auch Verbündete in der G20 der führenden Wirtschaftsmächte, allen voran China. Aber auch Indien und Südafrika haben den Angriffskrieg in der UN-Generalversammlung nicht verurteilt.
Ein Ausschluss Russlands aus der Gruppe als Strafmaßnahme kam also nicht infrage. Ein Boykott durch die EU- und Nato-Staaten auch nicht. Der Westen will demonstrieren, dass er die verbale Auseinandersetzung mit Russland nicht scheut. Man werde es nicht zulassen, dass Russland die G20 als wichtiges Forum für globale Fragen und Probleme zerstört, lautet die Devise.
Als Kompromiss lud der G20-Vorsitzende, Indonesiens Präsident Joko Widodo, auch die Ukraine als Gastland ein. Präsident Wolodymyr Selenskyj wird per Video zugeschaltet. Putin sagte seine Teilnahme vor wenigen Tagen ab. Er schickt Außenminister Sergej Lawrow. Der hatte schon im Juli für einen Eklat gesorgt, indem er ein G20-Außenministertreffen vorzeitig verließ.
Aber auch ohne Putin wird es spannend auf Bali. Die ersten Staats- und Regierungschefs treffen heute ein, darunter Kanzler Olaf Scholz, der gestern bereits zu einem Kurzbesuch in Vietnam weilte. Das wohl wichtigste Ereignis findet statt, bevor der Gipfel beginnt: Heute trifft US-Präsident Joe Biden erstmals seit seinem Amtsantritt den chinesischen Staatschef Xi Jinping. „Wir müssen nur herausfinden, wo die roten Linien sind“, sagte Biden am Sonntag in Phnom Penh. „Ich kenne ihn gut. Er kennt mich“, sagte Biden.
Doch das Verhältnis ist so schlecht wie nie. Wegen der großen Meinungsunterschiede sind die Erwartungen an das Treffen dann auch sehr gedämpft. Man glaube nicht, „dass sich die beiden zusammensetzen werden, um alle Differenzen oder Probleme zu lösen“, hieß es aus dem Weißen Haus. Aus Peking klingt es es ähnlich: „Es gibt keinen Grund zu glauben, dass dieses Treffen anders als die vielen Gespräche vorher verläuft und anhaltende und bedeutende Erleichterung erzeugen wird“, sagte der renommierte Professor Shi Yinhong von Pekings Volksuniversität.
Wenn morgen der Gipfel startet, wird es wahrscheinlich nicht einmal das traditionelle Familienfoto geben. Eine funktionierende Weltfamilie gibt es nicht mehr. Daher wäre es folgerichtig, auch das Foto wegzulassen.