Berlin –- Wegen des Streits um das geplante Bürgergeld steht die mit Abstand höchste Anhebung der Regelsätze seit Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 auf der Kippe. Am Sonntag erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von mehreren Seiten, bei den vertraulichen Verhandlungen zwischen Ampel und Union gebe es noch keine Einigung. Betroffen sind mehr als 5,3 Millionen Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld bekommen. So sollen die Bezüge von Alleinstehenden zum 1. Januar um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen. Einen von der Union vorgeschlagenen Anstieg der Sätze ohne die eigentliche Reform lehnt die Ampel ab.
Eine Einigung ist laut Bundesagentur für Arbeit bis Monatsende nötig, damit die Auszahlung der höheren Sätze technisch umgesetzt werden kann. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat soll am Mittwoch eine Lösung bringen. CDU-Chef Friedrich Merz, selbst Mitglied im Vermittlungsausschuss, sagt über das Bürgergeld: „Das muss auch mit Sanktionen begleitet werden.“ Laut Gesetzentwurf soll es künftig in den ersten sechs Monaten keine Leistungsminderungen geben, wenn jemand mit dem Jobcenter verabredete Maßnahmeteilnahmen oder Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge unterlässt. Leistungsminderungen in jährlich 63 000 Fällen sollen so entbehrlich werden. Sanktionen wegen mehrfachen Nichtmeldens beim Jobcenter soll es dagegen auch in dieser „Vertrauenszeit“ in Höhe von bis zu zehn Prozent weiter geben können. Laut dem FDP-Politiker Johannes Vogel wären 80 Prozent der Sanktionen weiter möglich.
Schon 2019 hat das Bundesverfassungsgericht Sanktionsgrenzen gesetzt: Es untersagte damals noch mögliche Kürzungen der Bezüge von 60 Prozent beim zweiten Pflichtverstoß pro Jahr als unzumutbar. 30 Prozent weniger blieben erlaubt. Merz räumte ein, der Spielraum sei „dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes entsprechend“ eng.
Die Ampel sieht nach sechs Monaten bei einer Pflichtverletzung 20 Prozent weniger Leistung vor, bei jedem weiteren Mal 30 Prozent – außer es käme so zu außergewöhnlichen Härten. Als Einigungskorridor zeichnet sich ab, dass die sechs Monate „Vertrauenszeit“ und die dabei geltenden Regeln zur Disposition stehen könnten – und die Höhe unterhalb der 30-Prozent-Schwelle sowie das weitere Vorgehen.
Auch beim Schonvermögen gibt es Differenzen. Der Gesetzentwurf sieht eine zweijährige Übergangszeit für Wohnen und Vermögen vor. In dieser „Karenzzeit“ sollen angemessene Kosten für Miete und Heizung übernommen werden. Erspartes soll nicht aufgebraucht werden müssen, wenn es sich nicht um erhebliches Vermögen handelt.
Als erheblich gelten 60 000 Euro und 30 000 Euro für jede weitere Person in der sogenannten Bedarfsgemeinschaft. Selbst genutzte Grundstücke oder Eigentumswohnungen sollen nicht berücksichtigt werden, auch fürs Alter angespartes Geld nicht. Auch ab dem dritten Jahr sollen bei Eigentum größere Wohnflächen und mehr Vermögensgegenstände freigestellt werden. Eine Einigung könnte auf die Freibeträge abzielen. Statt 60 000 Euro könnte Betroffenen weniger Geld zugestanden werden. Das könnte auch abhängig sein von der Dauer der Einzahlung; jüngere Leistungsbeziehende könnten dann weniger behalten dürfen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Zuverdienst. Wer zwischen 520 und 1000 Euro verdient, soll künftig mehr behalten können. Die Freibeträge sollen auf 30 Prozent angehoben werden, bei Schülern, Studenten und Auszubildenden auf 520 Euro.