Die Beobachter sind sich schon wieder erstaunlich einig: So, wie es sich 2015 kaum einer vorstellen konnte und wollte, dass Donald Trump nach seiner bizarren Bewerbungsrede im nach ihm benannten Tower tatsächlich einmal Präsident werden könnte, wird der inzwischen 76-Jährige auch 2022 wieder ab- und weggeschrieben. Die schlechten Ergebnisse seiner Kandidaten bei den Midterms, die Konkurrenz bei den Republikanern – und jetzt setzt die Regierung noch einen Sonderermittler über Trumps Rolle bei der Erstürmung des Kapitols ein.
Doch die Lehre des ersten Wahlsiegs Trumps sollte sein, diesen trickreichen Narzissten nie zu unterschätzen, zumal sich auch die Umstände dauernd ändern. Ausgerechnet zum 80. Geburtstag Joe Bidens schaltete Elon Musk nun Trumps suspendiertes Twitter-Profil frei. Noch ziert sich der Ex-Präsident mit der Rückkehr zwar, schließlich hat er mit Truth Social eine eigene Plattform gegründet, auf der er politische und wirtschaftliche Interessen munter verquickt. Doch es scheint schwer vorstellbar, dass er die Twitterbühne dauerhaft links liegen lässt.
Keine Frage: Trump ist angeschlagen, aber seine agitatorische Fähigkeit, politische Themen und Schlagzeilen zu setzen, hat er keineswegs verloren. Seine Wahlverschwörung ist unter Republikanern Allgemeingut, inhaltlich hat er die Partei mehr geprägt als alle seine parteiinternen Konkurrenten zusammen. Und es bleibt abzuwarten, welche Rolle Elon Musk zu spielen gedenkt. Die beiden Brüder im Geiste sind völlig unberechenbar.
Mike.Schier@ovb.net