Kirche fürchtet Flächenbrand

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München/Rom – Es war eine Debatte unter Brüdern – aber die Auseinandersetzung zwischen den deutschen katholischen Bischöfen und den Kurienkardinälen war alles andere als freundschaftlich. Die Kurienkardinäle Luis Ladaria (zuständig für die Glaubenslehre) und Marc Ouellet (zuständig für die Bischöfe) haben alles aufgeboten, um die deutschen Bischöfe einzuschüchtern – und das ging bis zur Sitzordnung. Saßen doch die Kurienvertreter erhöht über den rund 60 deutschen Glaubensbrüdern – wie vor einem Gericht.

Im Vatikan herrscht Angst vor einem Flächenbrand, der durch die Reformdiskussionen der deutschen Kirche auf Ebene der Weltkirche entfacht werden könnte. Daher versuchten Ladaria und Ouellet Brandbarrieren aufzubauen, die Diskussionen über das Frauenpriestertum, den Zölibat und die Sexualmoral im Keim zu ersticken. Sie drohten sogar damit, den in Rom und von einer Minderheit der deutschen Bischöfe mit Sorge betrachteten „Synodalen Weg“ auszusetzen. Doch das konnte die Mehrheit der deutschen Bischöfe mit ihrem Vorsitzenden Georg Bätzing verhindern. Freilich mit der Zusage, die römischen Interventionen bei den künftigen Beratungen des „Synodalen Wegs“ zu berücksichtigen. Eine Forderung, die der Passauer Bischof Stefan Oster, der als Reform-Kritiker gilt, frohlockend kommentiert.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller, der als gut vernetzt in Rom gilt, hat Papst Franziskus vorgeworfen, die Kirche in Deutschland zu verachten. „Der Papst ist ein peronistischer Populist. Er kokettiert mit den Armen und er sagt, deren Glauben ist entscheidend.“ Die intellektuelle Theologie der Deutschen verachte er. Dass Franziskus entgegen der Ankündigung nicht zum Treffen mit führenden Kardinälen erschienen war, bezeichnet Schüller als Affront. „Das ist ein erkennbares Desinteresse“, sagte Schüller. Das vorgeschlagene Moratorium sei „eine Klatsche“.

Andere Experten werten es durchaus als Erfolg der deutschen Bischöfe, dass sie erstmals von Angesicht zu Angesicht mit Kurienvertretern ihre Positionen erklären und ein Moratorium verhindern konnten. „Ich finde nicht, dass es die Vollkatastrophe ist“, bewertet Hiltrud Schönheit, Vorsitzende des Katholikenrats in München, den Ad-Limina-Besuch. Die Tatsache, dass die Bischöfe ein Moratorium abgewendet hätten, zeige, „dass unter dem Strich eine Art von Diskussion stattgefunden“ habe. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung – und nicht nur ein „Minischritt“. Wenn das bedeute, dass die Ergebnisse des „Synodalen Wegs“ in die weltkirchlichen Beratungen eingebracht werden könnten, sei das für sie in Ordnung. Für die Kirche in Deutschland sehe sie die Konsequenz: „Gar nicht so viel nachfragen in Rom – machen.“ Für das Münchner Erzbistum erwarte sie, dass Kardinal Reinhard Marx die Taufe, die Trauung und die Predigt von Laien in der Eucharistiefeier erlaube. Als wichtige Konsequenz fordert sie eine Veränderung der Sprache in der Kirche. „Wenn uns die Sprache, die wir im normalen Leben pflegen, von Kirchenvertretern als unverschämter Ton vorgeworfen wird, müssen wir da rauskommen.“ Solche Debatten verhinderten, dass man über die Sachthemen spreche. Sollte die Tatsache, dass der Papst beim letzten Gespräch nicht dabei war, dazu führen, „dass mehr diskutiert wird und – auch in Rom – Dinge nebeneinander stehen bleiben dürfen, dann ist das ein Erfolg“. Das Ringen gehe weiter.

Bischof Bätzing, der mit großer Langmut die schwierigen Gespräche in Rom geführt hatte, betont, es sei kein „Showdown“ gewesen. Er fahre mit Erleichterung und Sorge zurück nach Hause. Die Spannung bleibt.

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