Bayern setzt auf Pipeline-Pläne

von Redaktion

VON MARC BEYER

Omisalj – Im Sommer muss es hier schön sein. Das Meer liegt seidig glatt da, der Himmel ist fast makellos blau, nur über der nahe gelegenen Insel Krk hängen ein paar Wölkchen. Markus Söder ist sichtlich angetan, aber der Blick des Ministerpräsidenten ruht eher auf dem Objekt unmittelbar vor ihm. Ein schwimmendes LNG-Terminal, auf dem Flüssiggas verarbeitet und in das kroatische Netz eingespeist wird. Nach einem Rundgang über den 280-Meter-Koloss ist er schwer beeindruckt: „Das ist schon irre.“

Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic hat das Terminal, das Anfang 2021 den Betrieb aufnahm und neben dem kroatischen Gasbedarf auch den des Nachbarlandes Slowenin deckt, gegen massiven Widerstand durchgesetzt. Eine florierende Touristenregion werde verschandelt, hieß es, rausgeschmissenes Geld. Begründung: das günstige russische Gas. Seit das nicht mehr fließt, darf sich Plenkovic bestätigt fühlen. Er plant schon den Ausbau auf mehr als das Doppelte der Kapazität, von 2,9 auf 6,1 Milliarden Kubikmeter. Dann wird es mehr Möglichkeiten geben, auch andere Länder zu beliefern. Nicht nur unmittelbare Nachbarn.

In Bayern schaut man sehr aufmerksam nach Süden, obwohl in Deutschland eine regelrechte LNG-Offensive ins Rollen gekommen ist. Bis Ende des Jahres sollen die ersten zwei Terminals ihren Betrieb aufnehmen, im nächsten Jahr mindestens zwei weitere. Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade – das klingt nicht nur sehr norddeutsch, das ist auch weiter vom Freistaat entfernt als die Anlage vor der Insel Krk.

Konkrete Ziele will Söder mit der gestrigen Reise an die Adria noch nicht verbinden. „Der Termin ist das Ziel“, man wolle erst mal „einen Fuß in die Tür kriegen“. Aber diesen Fuß setzt die Staatsregierung ganz offiziell. Bei dem Treffen mit Plenkovic und Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer wird eine Vereinbarung aufgesetzt und eine Steuerungsgruppe beschlossen, der aus Bayern Vertreter des Wirtschaftsministeriums angehören werden und die sich mit dem Ausbau von Terminal und Pipelines befasst.

Als maximale Kapazität eines künftigen Terminals sind 15 Milliarden Kubikmeter jährlich denkbar, frühere Pipeline-Pläne könnten reaktiviert werden. Bayern werde zunächst vor allem Know-How investieren, sagt Söder. Geld soll erst in die Hand genommen werden, wenn es um den Ausbau von Leitungen auf deutschem Gebiet geht.

Wann konkret, dazu will man sich noch nicht festlegen. Als Einziger der drei nennt Nehammer einen Zeitrahmen, „drei bis fünf Jahre“. Über eine bestehende Erdgasdrehscheibe im niederösterreichischen Baumgarten könnten Lieferungen Richtung Deutschland erfolgen, am Ende der Verbindung stünde der gemeinsam von Deutschland und Österreich betriebene Erdgasspeicher in Haidach bei Salzburg.

Auch die Frage, wie viel Gas am Ende in Bayern ankommt, bleibt vorerst unbeantwortet. Man könne „ein Häppchen“ Energie beisteuern, sagt Plenkovic vorsichtig. Aber wie Söder selbst sagt: „Bayern hat einen großen Hunger nach Energie.“ Rund elf Milliarden Kubikmeter beträgt der Jahresverbrauch, fast das Vierfache des kroatischen Bedarfs.

Flüssiggas ist für den Gast aus München ohnehin nur ein Teil der Verlockung. Mittelfristig soll durch die Pipelines auch Wasserstoff transportiert werden – und weiter nach Bayern. „Eine Leitung, zwei Stoffe“ heißt das bei Söder. Im Moment, sagt er, „ist grüner Wasserstoff die eigentliche Vision“. Zuletzt waren bayerische Beamte zwar auch im Norden, um sich die dort entstehenden LNG-Terminals anzuschauen und den Anschluss an den Freistaat zu prüfen. Aber wichtiger ist Söder, was er eine „nationale und europäische Wasserstoffstruktur“ nennt. „Dass man in Europa nicht nur auf den Norden setzt und auf eine Erneuerbare Energie, sondern auch auf den Süden.“ Denn dort gibt es reichlich Sonnenenergie, Grundlage für die Herstellung von Wasserstoff.

Beide Seiten können in die Beziehung einiges einbringen. Die Kroaten eine bewährte Infrastruktur, die noch Potenzial für Wachstum hat. Bayern und Österreich kündigen dafür an, bei der EU für das Projekt zu werben, um Brüsseler Töpfe anzuzapfen. Das ist nicht so wenig für einen so kurzen Trip. Am Nachmittag, die Sonne beginnt im Meer hinter Krk zu versinken, muss Söder schon wieder zum Flughafen und zurück in die Kälte. Beim Gastgeber bedankt er sich fürs schöne Wetter.

Alte Verbindungen leben wieder auf

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