VON KLAUS RIMPEL
Als in Europa und den USA die Corona-Infektionszahlen in die Höhe schossen, schwadronierten bei uns einige schon darüber, wie viel erfolgreicher doch so eine Diktatur wie China im Kampf gegen die Epidemie vorgehen könne. Heute, da das Virus im Westen dank Impfung und Durchseuchung zunehmend an Schrecken verliert, zeigt sich: Eine offene Gesellschaft kommt auch mit solch einer Seuche besser zurecht als eine Diktatur, in der der einmal eingeschlagene Kurs weder von Experten noch von den Bürgern hinterfragt werden darf.
Die ideologische Null-Covid-Strategie von Staatspräsident Xi Jinping hat China in eine Sackgasse manövriert. Der Frust über die nicht enden wollenden Ausgangssperren ist so groß, dass sich Arbeiter und Studenten in ganz China trotz des zunehmend perfektionierten Überwachungsstaats auf die Straße trauen.
Der Corona-Protest vermischt sich dabei mit Empörung über Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Uiguren und sogar mit genereller Ablehnung der Ein-Parteien-Herrschaft. Junge Menschen gehen da auf die Straße und rufen „Nieder mit der Kommunistischen Partei!“, die wegen der totalen Zensur und Geschichtsklitterung nichts von den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens von 1989 wissen. Damals zeigte das Regime – erschreckend erfolgreich – wie gnadenlose Gewalt den Machterhalt sichert. Xi wird seine Lehren daraus gezogen haben und den Protest mit allen Mitteln zu ersticken versuchen. Aber seine Allmacht bröckelt.
Klaus.Rimpel@ovb.net