Ungewohnte Allianz: Die Union fordert massive Korrekturen in der Politik der Ampel-Bundesregierung – und findet in der FDP eine Verbündete. Was ist das? Schattenregierung? Neustart für eine bürgerliche Mitte? Oder einfach eine Gemeinsamkeit in der Sache? Fragen an Christian Lindner (43), den FDP-Chef und Bundesfinanzminister.
Die Union hat das Bürgergeld zerfleddert und zeitweise blockiert. Reform trotzdem gelungen?
Ja. Der Vermittlungsausschuss hat das Bürgergeld tatsächlich besser gemacht.
Waren Sie froh, dass die Opposition ihre Koalitionspartner zu Kompromissen gezwungen hat?
Das, was uns wichtig war, ist erhalten geblieben: Der Vorrang der Qualifikation und die besseren Verdienstmöglichkeiten für die Bürgergeld-Empfänger. Es ist doch nicht einzusehen, dass eine Auszubildende, die vielleicht 800 Euro als Ausbildungsvergütung verdient, von dem Geld das Allermeiste abgeben muss beim Staat, weil sie in einer Familie lebt, die Hartz-IV bekommen hat. Beim Bürgergeld bleiben einer Auszubildenden mit 800 Euro an Ausbildungsvergütung jetzt gut 600 Euro.
Und was hat das Finanzministerium vorher übrig gelassen?
Nicht das Finanzministerium ist zuständig, sondern das Arbeits- und Sozialministerium. Es blieben jedenfalls nur gut 240 Euro. Aber das ist jetzt korrigiert. Das war mein besonderes Anliegen. Leistung muss sich lohnen. Wer fleißig ist, wer arbeitet, muss davon auch einen Vorteil haben. Und die Union hat Klarstellungen bei der Frage der Sanktionen gewollt. Es ist kein Geheimnis: Diese Klarstellungen fand und finde ich richtig, denn es muss die Mitwirkungspflicht geben. Wir sind solidarisch mit Menschen, die bedürftig sind. Aber Solidarität sollte man nur so lange und so weit in Anspruch nehmen, wie man sie wirklich braucht. Solidarität ist keine Einbahnstraße.
Die CDU blockiert und verschafft der FDP im Dreierbündnis mehr Macht bei bürgerlichen Inhalten – werden wir es auch in Zukunft mit einer gelb-schwarzen Schattenregierung zu tun haben?
Nein, das ist eine Fehlwahrnehmung. Das Bürgergeld, wie es die Koalition verabschiedet hat, war bereits gut und richtig. Denn die Vorhaltung der Union, es gebe keine Mitwirkungspflicht mehr, entbehrte ja jeder Grundlage. Weshalb ich gerade mit Blick auf das Ergebnis des Vermittlungsausschusses ja auch nur von Klarstellungen gesprochen habe.
Worauf müssen sich die Partner bei der FDP noch einstellen?
Mir geht es nicht um parteipolitische Punktsiege. Wir wollen, dass Deutschland gut durch die Krisen kommt. Außerdem haben wir liberale Modernisierungsprojekte, die wir umsetzen wollen. Die FDP nimmt in der Regierung eine Rolle als Gestalter wahr, der Fortschritt ermöglicht. Wir sorgen dafür, dass das Land in der Mitte bleibt.
Das heißt, nach einem Jahr bereuen Sie den Schritt in das Dreier-Bündnis nicht?
Es war nicht unsere Wunschkoalition. Es ist auch jeden Tag eine Herausforderung. Aber wir scheuen Verantwortung nicht. Es geht um unser Land.
Interview: Jens Kiffmeier und Mark Stoffers