Washington – Nach der Wahl ist vor der Wahl. Das gilt auch für die vierjährigen Amtszeiten von US-Präsidenten. 2023 will Joe Biden offiziell bekannt geben, ob er sich 2024 noch einmal den Wählern für eine – dann letzte – Periode im Weißen Haus stellen wird. Hier sind die vier wichtigsten Gründe, die deutlich für eine erneute Kandidatur des Demokraten sprechen.
Der Ausgang der jüngsten Kongresswahlen: Das befürchtete Super-Fiasko – also der Verlust beider Kammern auf dem Kapitol – blieb für die Biden-Partei aus. Das bedeutet auch: einen Maulkorb für jene in der Partei, die geplant hatten, dem Präsidenten die dann ausgebliebene „Rote Welle“ anzulasten. Die Revolution gegen den 80-Jährigen dürfte ausbleiben. Wortführer vom progressiven bis zum konservativen Lager haben in den letzten Tagen versichert, eine erneute Kandidatur Bidens zu unterstützen. Einer Umfrage von „USA Today“ zufolge glauben jetzt 71 Prozent der Demokraten, dass der Amtsinhaber 2024 wieder gewinnen könne – elf Prozent mehr als im August. Chancenreiche Gegenkandidaten sind derzeit nicht in Sicht.
Der Kamala-Harris-Faktor: Als sich Joe Biden erstmals um die Präsidentschaft bewarb, sahen viele in der Partei seine erst 58-jährige Vizepräsidentin als zweifache Versicherung. Zum einen verbanden Demokraten die Harris-Berufung mit der Hoffnung, die Juristin könne effektiv Biden ersetzen, wenn ihn die Gesundheit ihn zum Rücktritt zwänge. Zum anderen wollten Harris-Befürworter die Politikerin als Zukunftsfigur der Partei aufbauen. Doch längst hat sich Frustration breitgemacht. Die bei Auftritten oft schlecht vorbereitet wirkende Harris hat es nicht geschafft, sich in ihrem hohen Amt zu profilieren. Vor allem die Grenzkrise, die sie im Auftrag Bidens federführend angehen sollte, hat sich noch verschlechtert. Was unterm Strich heißt: Biden hat überhaupt keinen Grund, 2024 die Bühne für eine Kandidatin mit fragwürdigen Wahl-Chancen und geringer Strahlkraft zu räumen.
Das Trump/DeSantis-Dilemma der Republikaner: Wo immer Donald Trump bei den letzten Kongresswahlen Kandidaten unterstützte, taten sich diese mit wenigen Ausnahmen schwer. Dennoch verfügt Trump noch über großen Rückhalt bei den Republikanern. Die Partei wird durch die erneute Kandidatur des 76-Jährigen vor eine Zerreißprobe gestellt. Befragungen zeigen, dass Konservative bei der Frage gespalten sind, ob Trump oder Ron DeSantis – der soeben wiedergewählte Gouverneur von Florida – die Partei als Spitzenkandidat in die Wahlen 2024 führen soll. Wer mit DeSantis-Anhängern redet, verspürt oft sogar einen blanken Hass gegenüber Trump. Was für Biden bei einer zweiten Kandidatur bedeuten dürfte: Der republikanische Bewerber für das Weiße Haus wird keine vorbehaltlose Rückendeckung der Gesamtpartei genießen.
Die Altersfrage: Schon jetzt ist Joe Biden der älteste Präsident der US-Geschichte. Zum Ende einer zweiten Amtszeit wäre er 86 Jahre alt. Bei Auftritten benutzt er Merkkarten, um nicht verloren zu wirken. Altersprobleme könnten ihm auch bei den TV-Debatten im Endspurt um die Präsidentschaft schaden. Doch hat das Alter tatsächlich entscheidendes Gewicht? Die Lebenserwartung eines Mannes in den USA liegt bei 76 Jahren. Biden bekommt zudem eine exzellente medizinische Betreuung. Längst servieren ihm Berater mundgerecht die wichtigsten Pfeiler seiner Politik fürs In- und Ausland. Der Chef muss – wenn er will – diese nur abnicken. Außerdem: Zumindest Trump wäre auch nicht viel jünger. FRIEDEMANN DIEDERICHS