Teheran – Die iranische Führung hat offenbar eine berüchtigte Behörde aufgelöst, die die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen überwachte. „Die Sittenpolizei wurde aufgelöst, aber die Justizbehörde wird sich weiterhin mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen“, zitierte die Zeitung „Shargh“ den Generalstaatsanwalt Mohammed-Dschafar Montaseri. Weitere Details dazu gab es nicht.
Bedeutsam ist der Schritt vor allem deshalb, weil die 22-jährige Mahsa Amini nach der Festnahme durch die Sittenpolizei starb. An dem Fall entzündeten sich landesweite Proteste, die bis heute anhalten. Kritiker reagierten verhalten auf die aktuelle Ankündigung. Das Problem sei nicht die Sittenpolizei, sondern die Aufhebung des Kopftuchzwangs, schrieb ein Aktivist auf Twitter. „Frauen müssen überall ohne Kopftuch verkehren können.“ Und dies sei „nur der erste Schritt.“
Zwar spielt das Regime die Bedeutung der Proteste immer wieder herunter, allerdings wachsen die Zeichen der Nervosität. Am Sonntag traf sich Präsident Ebrahim Raisi mit mehreren Ministern zu einem Krisengipfel. Außerdem sorgt ein geleaktes Tondokument für Aufsehen.
Die Aufnahme, über die mehrere Medien berichten, stammt von Mitte November, veröffentlicht hat sie der Exilnachrichtensender Iran International. Zu hören ist eine gut zweistündige Unterhaltung konservativer Ideologen. Laut „Spiegel“ äußern sie sehr offen die Sorge vor dem Ausmaß der Proteste, diskutieren Sprachregelungen und Gegenstrategien. Die Runde rechnet damit, dass es Ziel der Protestierenden sei, das „System langfristig zu stürzen“.
Innenminister Ahmad Wahidi kündigte indes an, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um „die Wurzeln der Proteste zu erkunden“. Demonstranten oder Regimekritiker bleiben aber ausgeschlossen. Es würden „nur relevante Behörden und unabhängige Juristen“ teilnehmen, sagte Wahidi. Bei den Protesten wurden laut Menschenrechtlern bereits 470 Demonstranten getötet und tausende verhaftet. dpa/mmä