EVP-Chef warnt vor „Fluchtwinter“

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München/Athen – Kein Hauch von der Winterromantik eines oberbayerischen Seitentals, statt Eiszapfen Meeresbrise. Aber Manfred Weber wagt einen Vergleich: Das sei jetzt das „Wildbad Kreuth“ der Spitzen der europäischen Konservativen, sagt er, eine Erinnerung an die legendären CSU-Klausuren. Übers Wochenende hat der Parteichef seine Kollegen aus der EU zur Klausur nach Athen zusammengeholt. Aufgabe: besser zusammenfinden, und intern mal Klartext reden.

Von einem „Experiment“ spricht Weber nach den zwei Athen-Tagen. Die Neugier war bei Europas Konservativen groß. Weber und der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis holten Österreichs Kanzler Karl Nehammer, die Kollegen aus Kroatien, Schweden, den rumänischen Staatspräsidenten, den aus Zypern, den Außenminister aus Italien, die Oppositionsführer aus Spanien und Polen (wo 2023 wohl gewählt wird), den deutschen CDU-Chef Friedrich Merz, EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und die Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Wie ein EU-Gipfel, nur weniger Inszenierung, weil halb Europa das Treffen nicht mitbekam.

Schwierigstes Thema der Runde: Migration. Seit Wochen knirscht es hässlich zwischen Staaten. Frankreich und Italien etwa streiten über die Häfen für Flüchtlingsboote. Österreich wehrt sich gegen Rumänien und Bulgarien im Schengen-Raum.

Weber warnt am Wochenende intern und öffentlich vor einer dramatischen Verschärfung der Migrationskrise, er sieht einen „Fluchtwinter“ anbrechen. „Die Zerstörung in der Ukraine ist dramatisch. Januar und Februar könnten Hunderttausende versuchen, Obdach bei uns zu finden. Europa muss Herz und Offenheit zeigen für diejenigen aus der Ukraine, die dem Terror-Wahnsinn von Putin entfliehen.“ Um das zu schaffen, müsse man aber die illegale Migration an den Südgrenzen in den Griff bekommen. „Es ist mehr Kontrolle nötig.“ Dazu passt ein warnender Satz, den Weber der „Welt am Sonntag“ sagte: „Es sieht so aus, dass wir in wenigen Monaten in Deutschland weitere Turnhallen öffnen und den Schul- und Sportbetrieb einschränken müssen, weil die Aufnahmekapazitäten ausgelastet sind.“ Die Bundesregierung ignoriere das, sie schlafwandle.

Weber fordert – auch mit Blick nach Berlin und die Millionenhilfen für Schiffe im Mittelmeer – ein Umdenken: „Seenotrettung ist fundamental. Aber nur eine Seite. Zur Grenzsicherung gehören auch Nein-Sagen und Rückführen bei offensichtlich Nicht-Schutzbedürftigen.“ Der EVP-Parteichef regt gemeinsame Patrouillen im Mittelmeer an – etwa von Deutschen und Italienern. Er fordert in scharfen Worten von der EU-Kommission mehr Tempo bei Rückführungsabkommen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell habe in den vergangenen Jahren kein einziges Abkommen zustande gebracht. „Er muss endlich in die Gänge kommen.“

Weber fordert ein abgestimmtes Handeln in Europa. Ausgerechnet Ungarn winke derzeit Flüchtlinge durch, „ein Skandal“. In Athen dringt der Österreicher Nehammer zudem darauf, wieder stärker auf die Westbalkan-Route zu achten. Zumindest die vage Hoffnung gibt es, dass die EU-Ratspräsidentschaft von Tschechien (aktuell) und vor allem Schweden (ab 2023), jeweils Regenten aus der EVP-Familie, etwas Bewegung reinbringen.

Konsens der Christdemokraten zeichnet sich in der Wirtschaftspolitik ab: mehr Freihandel, Bekenntnis zum Stabilitätspakt, Ruf nach einem Moratorium für alle EU-Regeln, die Firmen belasten.

Die internen Strategiedebatten sind von Land zu Land vergleichbar, so schildert es Weber: Umgang und Abgrenzung von Rechtspopulisten und Radikalen finden, die Breite der Volkspartei halten. Was Breite bedeuten kann, skizziert er einigen Kollegen intern mit Blick auf die CSU: „Ich war auch schon auf Parteitagen, auf denen Peter Gauweiler gegen den Euro geredet hat. Wir sind trotzdem in einer Partei.“

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