München – Ohne Zuwanderung wird die Bevölkerung Bayerns bis zum Jahr 2040 um 4,8 Prozent sinken – und auch auf dem Arbeitsmarkt würde es noch größere Probleme geben als heute schon. Das Münchner Ifo-Institut hat die Bedeutung der Menschen mit Migrationshintergrund für Bayern und seinen Arbeitsmarkt genauer unter die Lupe genommen.
„Um das Wirtschaftswachstum in Bayern aufrechtzuerhalten, ist neben einer weiteren Aktivierung des bisher ungenutzten Potenzials der deutschen Bevölkerung eine umfangreiche Zuwanderung erforderlich“, heißt es in der Studie, die von den Landtags-Grünen in Auftrag gegeben und gestern vorgestellt wurde. Mit Migration erwartet das Institut einen Bevölkerungszuwachs um vier Prozent.
Professor Panu Poutvaara, Mitverfasser der Studie, betonte, dass Bayern mit 162 660 gemeldeten offenen Stellen im Sommer einen Höchststand erreicht habe. Zudem waren 18,2 Prozent der Ausbildungsstellen nicht besetzt. Auf der anderen Seite waren in Bayern 232 430 Menschen arbeitslos, 39 Prozent von ihnen sind Ausländer, drei Viertel von ihnen haben keinen Berufsabschluss. Bei den deutschen Arbeitslosen sind das erheblich weniger (36 Prozent ohne Berufsabschluss).
Poutvaara sieht durch Berufsausbildung und Qualifizierung ein hohes Potenzial gerade bei den ausländischen Arbeitslosen. Die nach Bayern zugewanderten Menschen seien zudem im Durchschnitt viel jünger als die deutsche Bevölkerung – und hilfreich bei der Bewältigung des Arbeits- und Fachkräftemangels. Mehr als zehn Prozent der 213 000 Asylsuchenden im Freistaat, nämlich 27 000, haben nach den Worten des Wirtschaftswissenschaftlers einen Duldungsstatus. Die wenigsten von ihnen seien aber in Beschäftigung. Dabei warteten viele Arbeitgeber dringend auf eine Beschäftigungsduldung. „Das wird in Bayern noch zu restriktiv eingesetzt“, kritisierte Poutvaara. „Die Hürden für die Beschäftigungsduldung sollten gesenkt werden.“
Zugleich empfiehlt Ifo der Staatsregierung, Erleichterungen bei der Residenzpflicht und der Wohnsitzauflage für alle Geflüchteten vorzunehmen. „Wenn ein Arbeitsplatz oder ein Bildungsangebot in einem anderen Bezirk vorliegt, sollte es möglich sein, ohne bürokratische Hürden und Nachweise dorthin zu ziehen, solange sich Wohngeldkosten und andere Bezüge dadurch nicht erhöhen.“ Die Zahl der freien Stellen müsse als zusätzliches Verteilungskriterium verwendet werden. Für wichtig hält es das Ifo-Institut zudem, dass die Anerkennungsstellen für ausländische Qualifikationen gestärkt und die Verfahren beschleunigt werden.
Angesichts der vorgelegten Zahlen fordern die Landtags-Grünen ein Umdenken in der bayerischen Migrationspolitik. „Menschen mit Migrationshintergrund schreiben die Erfolgsgeschichte Bayerns entscheidend mit, und wir Grüne wollen das Potenzial weiter nutzen“, erklärte die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. Die CSU solle ihre „Antizuwanderungspolitik“ aufgeben, die bayerische Wirtschaft brauche die Zuwanderung. „Wir haben Menschen hier, die arbeiten wollen“, verwies die integrationspolitische Sprecherin Gülseren Demirel auf Lehrer, Erzieher und Ingenieure, deren Ausbildung aber in Bayern nicht anerkannt werde. Die Grünen werden laut Schulze immer wieder von der Wirtschaft um Hilfe gebeten, um die berufliche Anerkennung von Geflüchteten zu verbessern: „Die CSU ist keine Wirtschaftspartei mehr.“ CLAUDIA MÖLLERS