„Die Gewichtungen haben sich verschoben“

von Redaktion

Maskenpflicht im ÖPNV endet – Corona bei Atemwegserkrankungen nur noch auf Platz drei

München – Am Ende ging es nur noch um das konkrete Datum – und schließlich entschied sich das bayerische Kabinett für die schnellstmögliche Variante: Die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr fällt schon mit Auslaufen der jetzigen Corona-Verordnung am Freitag. Ab Samstag gilt nur noch eine Empfehlung. Damit ist der Freistaat das zweite Bundesland, in dem die Maske fällt. Denn zeitgleich mit Bayern entschied Sachsen-Anhalt, die Pflicht bereits zum 8. Dezember abzuschaffen.

Bis zuletzt hatte es intern Überlegungen gegeben, ob nicht eine kurzfristige Verlängerung bis kurz vor Weihnachten sinnvoll wäre. Schließlich rückte aber sogar Gesundheitsminister Klaus Holetschek von seiner eher vorsichtigen Haltung ab. Letztlich gehe es nicht nur um medizinische, sondern auch um rechtliche Fragen, sagte der CSU-Politiker. Die jüngsten Urteile der Gerichte – auch zu den Ausgangsbeschränkungen in der Hochphase der Pandemie – hätten großen Wert auf die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen gelegt. Und die sei inzwischen nicht mehr gegeben. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht“, betonte Holetschek.

Im Freistaat haben inzwischen andere Atemwegserkrankungen Corona in den Hintergrund rücken lassen. SARS-CoV-2 macht nur noch sechs Prozent aus. 36 Prozent sind dagegen Influenzafälle, 19 Prozent gehen auf das RS-Virus zurück. „Die Gewichtungen haben sich verschoben“, sagte Holetschek. Es sei aber rechtlich nicht möglich, die Maskenpflicht wegen solcher Krankheiten aufrecht zu halten. „Ärzte wünschen sich aber Masken als Empfehlung“, erklärte der Gesundheitsminister. Er selbst wolle zudem eine solche Empfehlung nicht nur auf den ÖPNV beschränken, sondern auf alle Orte, wo viele Menschen eng zusammenkommen.

Die Reaktionen auf die bayerische Entscheidung fielen gestern sehr unterschiedlich aus. „Ich bin einfach davon nicht überzeugt“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Ich habe den Eindruck, dass hier Parteipolitik auch eine Rolle spielt, und das sollte nicht sein. Wir sollten einfach versuchen, in diesem Winter noch einmal zusammenzustehen, wie wir das damals gemacht haben, parteiübergreifend.“ Lauterbach verspürt damit auch wenig Neigung, eine bundesweit einheitliche Regelung voranzutreiben. Schon bei der Sitzung der Verkehrsminister vergangene Woche hatte sich gezeigt, dass es auch unter den Bundesländern höchst unterschiedliche Auffassungen gibt. „Ich würde empfehlen, dass man im Fernverkehr wie im Flugzeug auf Eigenverantwortung setzt“, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter.

Tatsächlich gilt aber weiter die Regelung, dass in ICE, IC und EC sogar FFP2-Pflicht gilt. Die FDP wird in der Ampel vorerst wohl keine Mehrheit für eine Lockerung bekommen, auch wenn Christian Lindner gestern erklärte, er hoffe, dass der bayerische Weg „bald auch bundesweit Schule macht“. Die SPD im Freistaat kritisierte dagegen den Schritt der Staatsregierung. „Die Abschaffung der Maskenpflicht genau zu dem Zeitpunkt, in dem die Kliniken SOS funken und von Menschen mit Atemwegserkrankungen überlaufen werden, ist sehr fragwürdig“, sagte Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann.

Beifall kam dagegen von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sowie vom Verband der Verkehrsunternehmen. Dessen Sprecher Lars Wagner sagte: „Es gibt weder aus dem Ausland, wo seit Monaten keine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen mehr herrscht, noch aus wissenschaftlichen Studien Erkenntnisse, dass die Infektionszahlen außergewöhnlich steigen, wenn im ÖPNV keine Maske mehr getragen wird.“ MIKE SCHIER

Artikel 1 von 11