Der grenzkontrollfreie Schengen-Raum ist seit drei Jahrzehnten ein Herzstück der europäischen Einigung, mehr als nur ein Symbol für die Überwindung von Kleinstaaterei und Grenzschikane. Der Kontinent sollte stolz auf dieses Abkommen und froh über Politiker sein, die dafür kämpfen. Wäre da nicht ein kleines Detail: Schengen funktioniert nicht. Mehr noch: Schon das Grundprinzip scheitert in der Praxis. Der Schutz der Außengrenzen hat riesige Lücken, siehe Armutsmigration, und deshalb werden im Schengen-Innenraum doch immer wieder Schlagbäume gesenkt. Gleichzeitig werden die meisten Migranten europarechtswidrig von Land zu Land durchgewunken.
Europa steht heute vor der sehr schwierigen Entscheidung, den Schengen-Raum um Kroatien, Rumänien und Bulgarien zu erweitern. Alle drei Länder, allen voran Kroatien, bemühen sich, die Anforderungen zu erfüllen. Wer sie abweist, demotiviert sie. Andererseits wird das Abkommen nicht dadurch besser funktionieren, dass man das Gebiet in Osteuropa und am Balkan enorm erweitert. Schengen hieße dann: freie Fahrt zwischen türkischer Grenze und Nordsee – verlockend für Reisende und den Binnenmarkt, fatal unter dem Gesichtspunkt von Migrationsrouten. Visa für ganz Europa würden dann auch ausgestellt von Bürokraten in Rumänien und Bulgarien, denen die EU vorwirft, hochkorrupt zu sein.
Wenn das kleine Österreich heute per Veto den Beitritt zumindest von Rumänien und Bulgarien bremst, ist das kein europafeindlicher Akt. Sondern die Aufforderung zum Nachdenken, Nachbessern und Nachverhandeln.
Christian.Deutschlaender@ovb.net