Putin lächelt seine Misserfolge weg

von Redaktion

VON ANDREAS STEIN UND ULF MAUDER

Kiew/Moskau – Ein paar Tage sollte der Krieg gegen die Ukraine dauern, jetzt schwört Kremlchef Wladimir Putin die Russen auf einen „langen Prozess“ ein. Der 70-Jährige muss hinnehmen, dass Drohnenangriffe die in Russland für das Militär und die Energieversorgung wichtige Infrastruktur treffen. Die Bilder von Bränden und Rauchwolken, die auch am Donnerstag wieder im grenznahen Belgorod zu sehen waren, gelten als verheerend für das selbst gezeichnete Bild der Unverletzlichkeit Russlands.

Militärexperten betonen, dass Moskau nach den Angriffen auf die Energieinfrastruktur der Ukraine offenbar kein Monopol mehr auf solche Zerstörungen habe. Mit ihren Gegenschlägen binde die Ukraine Angriffspotenzial in Russland. Die Angriffe reichen inzwischen Hunderte Kilometer weit in russisches Gebiet.

Erst am Montag waren zwei Militärflugplätze von Drohnen angegriffen worden, einer in der Stadt Engels im südrussischen Gebiet Saratow, einer im zentralrussischen Rjasan nahe Moskau. In Saratow sind strategische Bomber stationiert, die bei Raketenangriffen auf die Ukraine eingesetzt wurden. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, dass für die Schläge sowjetische Drohnen vom Typ Tu-141 „Strisch“ (Segler) genutzt wurden – mit einer Reichweite von 600 Kilometern.

Der Angriff im russischen Hinterland kommt dabei nicht ganz überraschend. Bereits 2020 war der Prototyp einer Kampfdrohne mit dem Namen Sokil-300 (Falke-300) vom Kiewer Entwicklungsbüro Lutsch präsentiert worden. Im Oktober hatte der staatliche Rüstungskonzern Ukroboronprom die Produktion von Kampfdrohnen mit einer Reichweite von 1000 Kilometern und einer Nutzlast von 75 Kilo angekündigt.

„Ich hoffe sehr, dass wir noch vor dem neuen Jahr den Gegner sehr überraschen können“, sagte Ukroboronprom-Manager Oleh Boldyrjew damals im Nachrichtenprogramm des ukrainischen Fernsehens. „Wir haben keinen Vorteil bei der Artillerie und wie ich fürchte, werden wir nie einen haben“, meinte der Rüstungsexperte. Daher die Konzentration auf bewaffnete Drohnen mit großer Reichweite. Damit wäre auch Moskau erreichbar.

Seit Langem fordert Kiew von den USA und anderen Nato-Staaten Waffen mit größerer Reichweite, um russische Truppen zurückzudrängen. Der Westen zögert, auch weil er verhindern will, dass der Krieg durch Attacken gegen Russland weiter eskaliert. Klar ist aber auch: Moskau hat den Gegenangriffen bisher wenig entgegenzusetzen. Seit Längerem wundern sich auch kremlkritische Kommentatoren, dass Putin die aus seiner Sicht demütigenden Attacken nicht zum Anlass nimmt, stärker zurückzuschlagen.

Freilich hat er schon mehrfach Schläge gegen russisches Gebiet beklagt und sie als Vorwand für Raketenangriffe in der Ukraine genutzt. Allerdings hat er bisher immer noch nicht das Millionenheer von der Armee über die Nationalgarde bis zu den Kampftruppen des Innenministeriums in Bewegung gesetzt. Stattdessen betonte er, dass es keine weitere Mobilmachung von Reservisten geben solle.

Vor dem heutigen Tag des Helden des Vaterlands feierte Putin gestern mit Sekt im Kreml, dass Russland trotz des „Lärms im Westen“ den Kampf fortsetze. Noch am Vortag lächelte er bei einem Treffen mit Funktionären die vielen Misserfolge weg. Russland sei um neue Gebiete gewachsen, meinte er mit Blick auf annektierte Regionen. „Das ist doch ein bedeutendes Ergebnis für Russland.“ Und er zog erneut Parallelen zwischen sich und Zar Peter dem Großen, der um den Zugang zum Asowschen Meer gekämpft habe. Unter Putin sei es nun zu einem russischen Binnenmeer geworden.

Trotz Putins Prahlerei versucht der Kreml zurzeit offenbar, Zurückhaltung zu suggerieren. Am Mittwoch schon erklärte Putin, Russland werde seine Nuklearwaffen nicht für einen Erstschlag, sondern nur zum Schutz nutzen; gestern gab Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bekannt, man plane derzeit keine weiteren Annexionen in der Ukraine. Vermutlich auch, weil er es im Moment gar nicht könnte.

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