Missbrauch in Kirche: Höhe des Schmerzensgelds begründen

von Redaktion

Unabhängige Aufarbeitungskommission fordert Transparenz in den Verfahren – „Erzbistum will Heilung“

München – Eigentlich sitzen sie zwischen allen Stühlen – die Mitglieder der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs der katholischen Kirche im Erzbistum München und Freising (UAK). Die sechsköpfige Kommission unter der Leitung der Schulpsychologin Michaela Huber (Dachau) ist ehrenamtlich im Einsatz, aber mit erwiesener fachlicher Expertise ausgestattet. Sie sucht Kontakt zu Betroffenen, empfiehlt der Diözese weitere Schritte zur Aufarbeitung, legt den Finger in die Wunde, wenn es ruckelt im Kontakt zwischen Ordinariat und Betroffenen.

Die UAK ist unabhängig tätig und legt darauf großen Wert. Sie ist weder Lobbyvertretung der Betroffenen – die haben einen eigenen Betroffenenbeirat –, und schon gar nicht des Erzbistums. Rechtfertigen müssen sich die Mitglieder trotzdem ständig. Die einen sehen einen zu engen Draht zur Kirche. Andere argwöhnen, die Kommission sei ein Instrument der Staatsregierung. Huber versichert: „Wir sind komplett unabhängig und wollen nur die Aufarbeitung voranbringen.“

Nach eineinhalb Jahren schwieriger Debatten und Gespräche zieht Michaela Huber Bilanz: Im Erzbistum sind in der Aufarbeitung Fehler gemacht worden, weil zu lange kein „pro-aktiver Kontakt“ zu den Betroffenen gesucht worden sei. Kardinal Reinhard Marx habe zwar mit denjenigen gesprochen, die einen Termin bei ihm haben wollten. Aber er sei zu wenig selbst auf die missbrauchten Menschen zugegangen. „Das ist ein großes Defizit in der Vergangenheit gewesen. Aber ich glaube, das hat der Kardinal erkannt“, so Huber, die auch zum Coach ausgebildet ist. So habe Marx beim von der UAK veranstalteten Begegnungstag mit Betroffenen am 23. September 2022 zahlreiche Gespräche mit Betroffenen geführt – weiterführende Termine wurden vereinbart. „Das hat wunderbar funktioniert“, freut sich Huber. Der Kardinal sei authentisch und menschlich aufgetreten. Sie sei davon überzeugt, dass die Führungsriege des Erzbistums wirklich an einer Heilung interessiert sei – wohlwissend, dass eine echte Wiedergutmachung nicht möglich sei. „Es soll für alle Beteiligten vorwärts gehen – und nicht zurück.“

Die UAK hat schon neue Aufgaben für die Erzdiözese im Blick. Sie empfiehlt, den Kontakt zu den Betroffenen zu „verstetigen“. Außerdem soll sie die Missbrauchsvorwürfe von ehemaligen Schülern des Studienseminars St. Michael in Traunstein in einem wissenschaftlichen Projekt klären lassen. Problematisch sieht Huber außerdem, dass die Entscheidung über die Höhe einer Anerkennungsleistung, die eine Kommission in Bonn trifft, nicht transparent sei. Der Bescheid enthalte keine Begründung. „Warum gibt es Betroffene, die mehrere 100 000 Euro bekommen? Und wofür? Das weiß keiner. Und das geht gar nicht“, sagt die Psychologin.

Huber wäre nicht Supervisorin und Moderatorin, wenn sie nicht vermitteln wollte zwischen Betroffenen und der Kirche. Der Begriff „Täterorganisation“ für die Institution gefällt ihr aber überhaupt nicht. „Damit diskreditiert man Tausende von Menschen, die im Sinne dieses Jesus von Nazareth alles tun. Es gibt immer noch viele Gläubige, denen diese Kirche Hort und Heimat ist“, betont Huber. Obwohl sie selber vor langer Zeit ausgetreten ist, findet sie Pauschalkritik nicht fair. Fünf Prozent der Kleriker und kirchlichen Mitarbeiter seien Täter – 95 Prozent leisteten gute Arbeit. Und das müsse auch gesehen werden.

Huber hofft, dass die Arbeit der Aufarbeitungskommission in „etwas Gutes mündet für die Betroffenen, für die Gläubigen“. Immer häufiger kommt aber inzwischen auch die Forderung, dass der Staat die Aufarbeitung übernehmen soll – wie in den USA oder in Irland. „Das wäre am Anfang brillant gewesen. Aber jetzt noch einmal von vorne anzufangen – das erleben viele Betroffene gar nicht mehr“, befürchtet Huber. CLAUDIA MÖLLERS

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