Ukraine hofft auf Patriot-Raketen

von Redaktion

VON LEONIE HUDELMAIER

München – Das Backsteinhaus des Finanzamts steht zwar noch. Doch die Fenster sind zersplittert, das Dach zertrümmert und die Hälfte des ersten Stocks ist in sich zusammengefallen. Die Einsatzkräfte stehen inmitten von Trümmern des roten Wellblechdachs. Wieder hat es russische Angriffe in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gegeben. Wieder war die städtische Infrastruktur das Ziel.

Diesmal gelang es der ukrainischen Flugabwehr, die 13 Kamikaze-Drohnen abzuschießen. Keine Verletzten, keine Toten. Der Schaden am Haus entstand durch abgeschossene Drohnen-Teile – das lässt erahnen, wie verheerend ein ungebremster Volltreffer gewirkt hätte. Russische Raketen und Drohnen, gerichtet auf die zivile Infrastruktur, abzufangen, ist derzeit der Schwerpunkt der ukrainischen Verteidiger.

„Geben Sie uns die Patriots, so schnell Sie können“, sagte der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba deshalb schon bei einem Nato-Treffen Ende November. „Denn das ist das System, das die Ukraine braucht, um die Bevölkerung und kritische Infrastruktur zu schützen.“

Die Bundesregierung und die Nato reagierten auf die Forderung nach dem Hightech-Luftabwehrsystem verhalten. Bis jetzt. Wie gestern US-Medien berichteten, wollen die USA der Ukraine nun aber doch ein Patriot-Luftabwehrsystem zur Verfügung stellen. Nach langem Zögern kann es jetzt ganz schnell gehen: Eine offizielle Entscheidung könnte das Weiße Haus demnach in dieser Woche bekannt geben.

„Um sich gegen die russischen Luftangriffe zu verteidigen, braucht die Ukraine so viel Flugabwehr wie möglich“, erklärte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter unserer Zeitung. „Die Patriots sind ein erprobtes System, mit dem Marschflugkörper und ballistische Mittelstreckenraketen abgewehrt werden können“, sagte er.

Die US-Armee bezeichnete die Patriots als ihr „am weitesten entwickeltes Luftverteidigungssystem“. In einem Erklärvideo der deutschen Bundeswehr heißt es, dass das Patriot-Flugabwehrsystem für „maximale Sicherheit gegen Angriffe aus der Luft“ sorgt. Das mobile Militär-System verfügt über ein Radargerät, das Flugobjekte erkennt und analysiert. Soldaten in einem Leitstand können den gesamten Luftraum beobachten und einen Abschussbefehl geben. Fünf Angriffe können gleichzeitig abgewehrt werden, mithilfe von Abfangraketen mit 68 Kilometern Reichweite.

Wie US-Medien berichteten, könnten ukrainische Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern dazu ausgebildet werden. Dort werden schon seit dem Frühjahr ukrainische Soldaten an US-Waffensystemen geschult. Auf Anfrage unserer Zeitung wollte die US-Armee diesen Plan nicht offiziell bestätigen. Gleichzeitig hieß es, dass dort in der Vergangenheit bereits Patriot-Trainings abgehalten worden seien – allerdings ohne Feuertrainings. Und: Diese Ausbildung habe keine Auswirkungen auf die Bewohner.

Das Hightech-Abwehrsystem benötigt eine umfangreiche Ausbildung. „Um eine Einheit so richtig fit zu machen, würde es normalerweise drei bis fünf Jahre brauchen“, erklärte der ehemalige Bundeswehr-Oberst Ralph Thiele unserer Zeitung. Auch brauche man fast 100 Leute, die man in einer Staffel für das System einsetzen müsse. Für die Ukrainer ist aber wohl nur eine Schulung im Schnelldurchgang möglich.

Dass Deutschland mit seinem Nato-Partner mitzieht, stellt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nicht in Aussicht. Deutschland liefere bereits Gepard-Panzer und das System Iris-T an die Ukraine und Patriots an die Slowakei, bald auch Polen, erklärte sie gestern. Hofreiter befürwortet, auch die Ukraine damit zu unterstützen. Er erneuert zudem seine Forderung: „Wenn wir wirklich erreichen wollen, dass Russland zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist, müssen wir die Ukraine klar weiter unterstützen – auch mit schweren Waffen.“

Hofreiter rät Bund: Patriot liefern

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