Ob es noch ein Jahr gibt, in dem Bayreuth zur Ruhe kommt? Ausgerechnet der für 2023 geplante „Parsifal“, DNA-Stück der Festspiele, stand gerade vor dem Scheitern. Angeblich sei das Regie-Konzept technisch unrealisierbar. Doch der Streit um die Brillen, dank derer die Inszenierung um virtuelle Realität erweitert wird, zeigt, dass dort gerade ein Kampf zwischen Traditionalisten aus dem mächtigen, weil finanzkräftigen Förderkreis und Katharina Wagner ausgetragen wird. Ende: offen.
Dass die Festspielleiterin keine geborene Diplomatin ist, mag manche vor den Kopf stoßen. Aber es ist ihr ernst. Die Öffnung des Festivals, die Entstaubung, die Verpflichtung ungewöhnlicher Regisseure geht aufs Haben-Konto der Wagner-Urenkelin. Vieles, was in den vergangenen Jahren verunglückte, resultiert auch aus einem ungewollten Krisen-Management. Es gab kurzfristige Absagen, ausgerechnet – wie gerade im „Ring“-Fall – bei Megaprojekten.
All das offenbart ein viel größeres Problem. In der jetzigen Form mit den verzweigten Strukturen und den vielen, einander hemmenden Gremien sind die Festspiele kaum mehr steuerbar. Das kann nicht Katharina Wagner angelastet werden. Auch hier müssten die Traditionalisten Macht abgeben. Und wenn am Ende ein Bayerisches Staatstheater oder eine Lösung à la Deutsche Staatsoper Berlin steht, wäre Bayreuth nicht nur künstlerisch, sondern auch organisatorisch fit fürs 21. Jahrhundert.
Markus.Thiel@ovb.net