VON ANDREAS HÖSS
Die EZB wird die Zinsen weiter anheben und die Inflation bekämpfen. Wirklich! Und zwar konsequent! So kann man die Aussagen von Christine Lagarde verstehen, den Leitzins auch 2023 „signifikant“ zu erhöhen.
Dass Europas oberste Währungshüterin das anders als für Notenbanker üblich mit dem Megafon herausbrüllt, hat viele überrascht. Es sei ungewöhnlich, die Märkte mit so viel Nachdruck zu lenken, schrieb eine Fondsgesellschaft. Das zeige, mit welcher Dringlichkeit die EZB ihren Standpunkt vertreten müsse. Tatsächlich hat sie so lange gezögert und gezaudert, dass an den Finanzmärkten viele nicht mehr daran glaubten, dass sie die Teuerung bald unter Kontrolle bekommt. Nun muss sie das eben besonders laut und nachdrücklich sagen.
Zumal sie dabei vielleicht zwei Dinge übertönen kann. Erstens: Obwohl der Leitzins mit 2,5 Prozent immer noch tief ist, fiel der jüngste Zinsschritt mit 0,5 Prozent nicht mehr so groß aus wie der letzte. Hier hat die EZB Europas Wirtschaft im Hinterkopf, die gerade in eine (hoffentlich) leichte Rezession schlittert und der starke Zinserhöhungen schaden. Zweitens baut sie ihre 8,5 Billionen Euro schwere Bilanz zwar ab März ab. Die Staatsanleihen dort verkauft sie aber im Schneckentempo, um hoch verschuldete Länder wie Italien nicht in Probleme zu bringen. Die EZB kann also immer noch nicht ganz so frei handeln, wie sie wohl will. Da schadet es nicht, davon mit einem besonders forschen Auftritt abzulenken.
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