Es mutet seltsam an. Obwohl sich die demografische Entwicklung seit Jahrzehnten abzeichnet, wurden ältere Arbeitnehmer lange aufs Abstellgleis geschoben oder aus dem Job gedrängt. Jetzt auf einmal, wo der Fachkräftemangel offensichtlich wird, fordert Arbeitsminister Hubertus Heil die Arbeitgeber zu mehr Einstellungen von Menschen über 60 auf. Als ob es damit getan wäre.
Denn vor der Einstellung Älterer muss sich die Einstellung zu ihnen ändern. Noch wichtiger als ihre ständige Weiterbildung ist es, ihre Gesundheit und Motivation zu erhalten. Wer körperlich oder seelisch ausbrennt, wirft hin – ohne Rücksicht auf Abschläge. Dabei identifizieren sich gerade die sogenannten Boomer, die nun und bald in Rente gehen, oft sehr stark mit ihrem Job. Ob nachfolgende Generationen, die stärker auf ihre Work-Life-Balance pochen, ebenso belastbar sind, bleibt abzuwarten.
Das Renteneintrittsalter zu erhöhen, ohne in der Arbeitswelt etwas zu verändern, ist daher keine wirksame Stellschraube. So etwas treibt nur Menschen in die Altersarmut, die nicht so lange durchhalten. Vernünftiger scheinen Vorschläge zum Teilruhestand und flexiblem Renteneintritt – sofern sich dahinter nicht verkappte Kürzungen verbergen. Schließlich wollen sich viele Ältere gern weiter einbringen, aber können es nicht mehr im 40-Stunden-Hamsterrad.
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