WIE ICH ES SEHE

Herrschaft durch geschönte Sprache

von Redaktion

Politik, ob gut oder schlecht, weise oder töricht, muss auch verkauft werden. Deswegen war es immer schon so, dass Gesetze wie politische Entscheidungen sprachlich geschönt wurden. Nur mit der Realität haben solche Euphemismen wenig zu tun.

1914 wollte die deutsche Außenpolitik sich auf Gedeih und Verderb an das schon im Niedergang befindliche Habsburger Reich binden. Dazu erfand man den Begriff „Nibelungentreue“, mit dem das Kaiserreich sich in den Ersten Weltkrieg ziehen ließ.

Der DDR war die Mauer ja eigentlich peinlich. Um dieses Desaster zu beschönigen, hieß sie offiziell „Antifaschistischer Schutzwall“. Sie wurde errichtet, sollte das heißen, um die DDR vor uns Westdeutschen und einem gedachten Nato-Angriff zu schützen.

Unsere rot-grün-gelbe Regierung aber ist gerade dabei, sich in ganz andere Höhen sprachlicher Beschönigungen aufzuschwingen. Der Koalitionsvertrag sieht einen dramatischen Ausbau von Windrädern zu Land vor. Finanzminister Lindner prägte dazu den Begriff „Freiheitsenergie“. Damit soll wohl verdeckt werden, dass hinter jedem Windrad ein Gaskraftwerk stehen muss, um die Flatterhaftigkeit der Windstromerzeugung auszugleichen, insbesondere die Zeiten der „Dunkelflaute“ zu überbrücken.

Tatsache ist, dass von dieser Regierung außerhalb des normalen Haushaltes Hunderte von Milliarden Schulden aufgenommen werden. Die werden aber in Umkehrung der Verhältnisse „Sondervermögen“ genannt, z. B. für die Bundeswehr oder zur Glättung der Energienot. Auf diese Weise „Schulden“ in „Vermögen“ zu verwandeln, das geht in seiner Lügenhaftigkeit zu weit. Da ist es auch kein mildernder Umstand, dass damit vorgegaukelt werden soll, man halte sich unverändert an die Schuldengrenze des Grundgesetzes. Für wie dumm hält uns eigentlich diese Regierung?

Verdreht ist auch die Wortbildung „Gaspreisbremse“, die Bundestag wie Bundesrat in dieser Woche als ein 400 Seiten (!) starkes Gesetzespaket durchgewunken haben. Dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass die Regierung sich entschlossen hat, Verbrauchern wie Unternehmen Subventionen zur Verfügung zu stellen zum Ausgleich für die exorbitant gestiegenen Energiekosten. Das mag man aus sozialen Gründen gutheißen. Mit einer Preisbremse hat das alles aber überhaupt nichts zu tun. In einer Marktwirtschaft werden Preise durch Angebot und Nachfrage geregelt. Da wirkt eine solche Subvention eher preistreibend. Die Anbieter von Gas – keine Heiligen – dürfen sich eher ermuntert fühlen, beim Preis noch kräftiger zuzulangen. Die subventionsgestützte Nachfrage geht ja kaum runter dabei.

Wie lange will dieser Staat überhaupt das ewige Zukleistern aller Probleme durchhalten? Wir müssen ja mit einer längeren Energieknappheit in Europa rechnen, wenn im nächsten Jahr die chinesische Wirtschaft wieder anläuft und Gas vom Weltmarkt wegkauft. Deswegen kommt es in Deutschland vor allem darauf an, Energie zu sparen. Davon ist zu wenig die Rede. Wann endlich zieht dieser Staat sich wieder auf seine Aufgabe als Sozialstaat zurück, hilft nur den Bedürftigen, sozial Schwachen und hört auf, Arm wie Reich mit vermeintlichen Wohltaten zu beglücken?

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VON DIRK IPPEN

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