Italiens Schwenk bei den Rettungsschiffen

von Redaktion

Erst Blockade, dann das Einlenken: Die neue Regierung in Rom sucht ihren Kurs gegenüber NGOs im Mittelmeer

Rom – Der Winter erschwert die Navigation, trotzdem sind die Hilfsorganisationen im Mittelmeer weiter im Einsatz, um Leben zu retten. Rund 2000 Menschen sollen 2022 schon ertrunken sein. Dieser Tage kreuzen die „Sea Eye 4“ der Regensburger Organisation Sea-Eye und die „Rise Above“ des Dresdener Vereins Mission Lifeline vor Libyens Küste. Auch die „Ocean Viking“ von Ärzte ohne Grenzen ist unterwegs. Vor Afrikas Küste herrscht reger Betrieb.

Das gefällt nicht jedem. Seit im Oktober die italienische Rechtsregierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) ins Amt gekommen ist, gibt es mit den Partnern in Berlin, Paris oder Madrid wieder Zwist über die Rettungsaktionen. Meloni hatte im Wahlkampf angekündigt, die Migration über das Mittelmeer stoppen zu wollen. Aus ihrer Sicht bieten die NGOs „einen Anreiz“ für Migranten, ihre Heimatländer zu verlassen.

Rom plant nun ein Gesetz, das den NGOs verbietet, mehrere Hilfseinsätze hintereinander zu fahren. Nur jene Schiffe sollen künftig ohne Konsequenzen Erlaubnis zur Hafeneinfahrt bekommen, die die Migranten direkt aufs italienische Festland bringen. Schiffe, die mehrere Rettungsaktionen aneinander- reihen, müssen mit Geldstrafen oder der Beschlagnahmung der Schiffe rechnen.

Das italienische Innenministerium spricht von „systematischen Patrouillen“. Im Oktober und November verweigerte Innenminister Matteo Piantedosi (parteilos) den mit 1000 Migranten beladenen NGO-Schiffen Humanity 1, „Ocean Viking“ und „Geo Barents“ die Einfahrt in Italiens Häfen. Die Schiffe mussten tagelang auf eine Einfahrtserlaubnis warten, später wurden nur ausgewählte Migranten an Land gelassen.

Anfang Dezember vollzog Rom dann einen Kurswechsel. Nach erneuten Einsätzen wurde der „Ocean Viking“ sowie der „Humanity 1“, die zusammen etwa 500 Migranten vor Libyen aufgelesen hatten, erneut keine Einfahrtserlaubnis erteilt, bevor sie dann bei schlechtem Wetter in entfernte Häfen fahren konnten. Dort durften alle Migranten die Schiffe verlassen. Beobachter werteten den erzwungenen Umweg als Schikane. Das Innenministerium argumentierte, die Hilfsorganisationen hätten schon früher schlechtes Wetter „als Vorwand genommen, um den den nächstgelegenen Hafen ansteuern zu können.

Wie es scheint, waren politische Erwägungen Grund für den Kurswechsel. Als die Landung der beiden Schiffe beschlossen war, twitterte Viktor Elbling, der deutsche Botschafter in Rom, eine überraschende Nachricht: „Die Solidarität funktioniert. Die ersten 164 Asylbewerber in Italien wurden in Deutschland aufgenommen.“ Damit bezog er sich auf eine Einigung der EU-Innenminister über einen „freiwilligen Solidaritätsmechanismus“, demzufolge sich zwölf EU-Länder bereit erklärt haben, Migranten aus Mittelmeerländern wie Italien, aufzunehmen.

Mit Italiens Blockade-Politik wurde der frische Kompromiss torpediert, einige EU-Regierungen drohten, Rom die Solidarität aufzukündigen und keine Boots-Migranten mehr aufzunehmen. Die Entscheidung zum Einlenken kam letztlich aus Melonis Regierungszentrale. Und es scheint, als zeige sie Wirkung. Am Wochenende durften zwei deutsche Rettungsschiffe in italienische Häfen einlaufen, ohne warten zu müssen. Die Dresdner Mission Lifeline sprach von einer „überraschend“ schnellen Zuweisung. J. MÜLLER-MEININGEN

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