VON FRIEDEMANN DIEDERICHS
„Was mich nicht umbringt, macht mich nur stärker“. Mit diesem Satz hat Donald Trump auf die Empfehlung eines Kongressausschusses reagiert, den Ex-Präsidenten wegen seiner Handlungen vor und während der Kapitol-Erstürmung strafrechtlich zu belangen. Doch die Formulierung klingt wie ein Pfeifen im Wald. Denn nichts kann darüber hinwegtäuschen, dass dieses Jahr für Trump vor allem schlechte Nachrichten gebracht hat – und dass 2023 für ihn noch dunkler werden dürfte.
Anklagen gegen ihn scheinen unvermeidbar, auch weil das Justizministerium und der frisch eingesetzte Sonderermittler nun Zugriff auf Beweise des Kongresses gegen Trump haben. Hinzu kommt, dass der 45. Präsident der USA politisch angreifbar ist, wie der Ausgang der Kongresswahlen im November gezeigt hat. Die Aura der Unverwundbarkeit ist schwer beschädigt. Und Trump, der noch nie ein guter Verlierer war, sieht nun wie ein klassischer Verlierer aus. Bei den Republikanern hat sich die Absetzbewegung von ihm beschleunigt.
Noch ist offen, ob das Justizministerium Trump formell anklagen wird – doch vieles spricht dafür. Faktisch und moralisch ist Trump für die Vorgänge des 6. Januar 2021 verantwortlich. Und in Kürze dürften die US-Bürger in der Lage sein, Details von Trumps Steuererklärungen – die der Kongress unter Verschluss hielt – zu lesen. Keine Frage: Der Mann, der sich sein ganzes Leben lang geschickt von Verantwortung für Fehltritte ferngehalten hat, nähert sich schmerzhaften Tagen der Abrechnung.
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