Kanzler im Gehalts-Mittelfeld

von Redaktion

Der Bund bezahlt 21 Chefs besser als Olaf Scholz – ganz vorne liegt der Vorstandsboss der Bahn

München – Der Fragesteller brauchte einen langen Atem. Im September schickte Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, einen ersten Brief ans Bundesfinanzministerium, um zu erfahren, wo eigentlich der Bundeskanzler in einer fiktiven Gehaltstabelle bundeseigener Unternehmen und Anstalten rangiert. Von Olaf Scholz ist bekannt, dass er im Jahr rund 360 000 Euro erhält. Die Summe setzt sich zusammen aus den regulären Kanzlerbezügen und der Hälfte seiner Abgeordnetenentschädigung. Weniger bekannt war, was die Chefs anderer öffentlicher Unternehmen so verdienen.

Die Frage Kortes an das Ministerium – zusammengefasst: „Wer bekommt mehr als der Kanzler?“ – war ziemlich eindeutig formuliert, dennoch brauchte es drei Anläufe und mehr als zwei Monate, bis er eine konkrete Antwort hatte. Die fällt überraschend aus: 21 Vorstände oder Geschäftsführer verdienen demnach besser als Olaf Scholz.

Und das zum Teil deutlich. Spitzenverdiener ist der Vorstandschef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, mit einem Jahresgehalt von 900 000 Euro, vor dem Geschäftsführer der Bundesdruckerei mit 863 000 Euro. Dahinter liegen weitere Vorstände der Bahn und Vorstandsmitglieder der staatlichen Förderbank KfW, die zwischen 555 400 und 687 600 Euro im Jahr bekommen. Geschäftsführer verschiedener Helmholtz-Forschungszentren, der Deutschen Flugsicherung, der Autobahn GmbH, des Mautbetreibers Toll Collect und der Finanzagentur des Bundes liegen teils über dem Kanzlergehalt oder kommen nah heran.

Korte hatte sich in dem Schriftwechsel mit dem Ministerium konkret an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gerichtet – aus aktuellem Anlass. Dieser hatte in der Debatte um das Finanzgebaren in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesagt, kein Intendant solle mehr verdienen als der Bundeskanzler. Eine Selbstverpflichtung sei nötig, um mit dem Geld der Gebührenzahler sparsam umzugehen.

Der Linken-Politiker schrieb Lindner, er könne diese Forderung nachvollziehen. „Allerdings wäre allein schon, um Ihre Forderung einordnen zu können, die Information wichtig, wer in den Instituten, Anstalten oder Unternehmen des Bundes denn auch noch mehr Gehalt bezieht als der Bundeskanzler.“

Am Ende waren dann aber ein Brief und zwei offizielle Nachfragen nötig, um Klarheit zu schaffen. Immerhin: Die Antwort fiel nun umso detaillierter aus. Ende November schickte das Finanzministerium dem Abgeordneten die besagte Liste, in der die Gehälter von insgesamt 151 Mitgliedern von Vorständen und Geschäftsführungen verschiedener Bundesunternehmen aufgeführt sind.

Korte ist nach der Lektüre der Zahlenkolonnen verblüfft: „Im Vergleich zum Vorstand der Deutschen Bahn AG ist Bundeskanzler Scholz quasi ehrenamtlich unterwegs.“ Das mag etwas übertrieben sein, im Grundsatz liegt der Linken-Politiker aber nicht so verkehrt. „Als Chef der Bundesdruckerei hätte er vermutlich weniger Stress, aber dafür doppelt so viel Gehalt.“ Korte spricht von „absurden Verhältnissen. Die irre Politik, staatliche Infrastruktur und Institutionen auszugliedern und zu privatisieren, muss aufhören.“

Demnächst geht die Gehaltsschere noch ein bisschen weiter auseinander. Im neuen Jahr soll Bahnchef Lutz zehn Prozent Gehaltserhöhung bekommen. 90 000 Euro, dafür muss ein Bundeskanzler drei Monate regieren. MARC BEYER

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