„Unser Land wächst über sich hinaus“

von Redaktion

Bundespräsident Steinmeier ruft in seiner Weihnachtsansprache zur Zuversicht auf

München/Berlin – Viel hat sich auf den ersten Blick nicht verändert. Der Christbaum im Schloss Bellevue ist geschmückt wie immer, mit roten Kugeln, weißen Kerzen, Strohsternen. Weihnachtsansprachen lassen sich optisch nicht neu erfinden, das sollen sie auch gar nicht, im besten Fall stellt sich eine wohlige Vertrautheit ein. Aber ein Detail ist diesmal anders. Hinter Frank-Walter Steinmeier leuchtet es heller als in den letzten Jahren.

An den Zweigen des Christbaums scheinen mehr Kerzen zu hängen. Passend wäre es, die Situation vieler Menschen ist düster genug. Der Krieg in der Ukraine überschattet auch die Ansprache des Bundespräsidenten, die am ersten Weihnachtsfeiertag ausgestrahlt wird. „Dies sind raue Zeiten“, sagt Steinmeier, „wir stehen im Gegenwind.“ Zu Weihnachten aber solle man immer auch auf das schauen, was Zuversicht biete. „Unser Land wächst in der Herausforderung wieder einmal über sich hinaus. Wir sind nicht in Panik verfallen, wir haben uns nicht auseinandertreiben lassen.“

Steinmeier hat mittlerweile Erfahrung darin, am Ende eines besonders schwierigen Jahres Worte der Hoffnung zu finden. Schon im Corona-Winter 2020 ging er davon aus, dass das Licht am Ende des Tunnels heller werde (leider verfrüht, wie sich zeigte). Im vergangenen Jahr formulierte er vorsichtiger: Selten sei so hautnah zu erfahren gewesen, wie unvorhersehbar die Zukunft ist. Doch immerhin, die Menschen seien nicht machtlos.

Damit war die Möglichkeit gemeint, sich mit einer Impfung gegen das Virus zu schützen. Doch nun zeigt sich, dass viele Menschen in Deutschland – und nicht nur dort – eben doch nicht allzu viel tun können, wenn es um steigende Preise und fallende Raumtemperaturen geht. Was ihnen allerdings immer bleibt, ist der Zusammenschluss mit anderen. Der Bundeskanzler verwendet dafür das Wort „unterhaken“, Steinmeier drückt es so aus: „Wenn dieses Jahr ein Gutes hatte, dann doch die Erfahrung: Gemeinsam kommen wir durch diese Zeit.“

Noch ist das Land mitten in diesem Prozess. Ein rasches Kriegsende sei nicht absehbar, räumt der Bundespräsident ein. Zwar sei es der sehnlichste Wunsch, dass wieder Friede herrsche, aber der sei „noch nicht greifbar“. Es müsse ein gerechter Friede sein, der weder Landraub belohne noch die Menschen in der Ukraine der Willkür und Gewalt ihrer Besatzer überlasse.

Trotz dieser Sorgen, mahnt Steinmeier, habe der Kampf gegen den Klimawandel nichts an Dringlichkeit verloren. Er brauche uns alle. Er wünsche sich, „dass die Älteren auch spät im Leben noch einmal bereit sind, sich zu verändern“. Und dass die Jüngeren sich engagieren, „ohne der Sache des Klimaschutzes zu schaden, indem sie andere gegen sich aufbringen“.

Nicht nur Steinmeier wendet sich zum Fest an die Bürger. Auch Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner verbreitet in ihrer Ansprache (zu sehen am Montag um 18.40 Uhr im BR) Optimismus. Obwohl es in Kriegszeiten wirtschaftlich und gesellschaftlich „ans Eingemachte“ gehe, sei sie „unerschütterlich“ in ihrem Vertrauen in die Demokratie – und in die Stärke der Bürger. „Wir dürfen an uns glauben: an friedliche Diskussionen, respektvolles Miteinander und an Lösungen, die wir gemeinsam erarbeiten.“

Oder wie es der Bundespräsident ausdrückt: „Wir waren in diesem Jahr zu so viel mehr fähig, als wir uns womöglich selbst zugetraut hatten.“ MARC BEYER

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