Berlin – Diese Nachricht birgt Zündstoff: Bei dem mutmaßlichen russischen Doppelagenten beim Bundesnachrichtendienst (BND) soll es sich nach einem Medienbericht um einen leitenden Mitarbeiter der streng geheimen technischen Auslandsaufklärung des deutschen Auslandsgeheimdienstes handeln. In dieser Funktion habe der Mann auch Zugang zu Informationen westlicher Partnerdienste gehabt, berichtet „Focus Online“ unter Berufung auf Informationen aus Berliner Sicherheitskreisen.
Dem Bericht zufolge ist Carsten L. ein Beamter des höheren Dienstes mit Zugang zu sensiblen Informationen. Als Spezialist für Auswertung sei er offensichtlich für die Analyse sämtlicher Vorgänge und Informationen zuständig gewesen, die der BND durch weltweite Abhöraktionen gewonnen hat. Zu dem Material, das L. dabei zur Verfügung stand, hätten auch die bei Lauschoperationen beschafften Erkenntnisse befreundeter Partnerdienste gehört, hieß es. Dies seien unter anderem die National Security Agency (NSA) der USA und der britische Abhördienst Government Communications Headquarters (GCHQ). Im BND bestehe daher die große Sorge, dass Carsten L. auch Material von befreundeten Geheimdiensten an die Russen weitergegeben haben könnte. Der Mann war offensichtlich im BND selbst enttarnt und dann auf Anweisung der Bundesanwaltschaft festgenommen worden.
Offiziell bestätigt sind diese Informationen bisher allerdings nicht. Denn zu Einzelheiten wollen sich die Behörden aus ermittlungstaktischen Gründen noch nicht äußern.
In der Politik wird das Thema hingegen bereits heiß diskutiert. Justizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf Twitter: „Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist hier ein wichtiger Schlag gegen russische Spionage gelungen. Das zeigt, wie wachsam wir sein müssen.“
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) stufte den Spionagefall auf Anfrage der Sender RTL und ntv als „besonders bedenklich“ ein. Auch er lobte allerdings die deutsche Spionageabwehr. „Wir müssen unsere Interessen schützen und das machen unsere Dienste, wie man gestern gesehen hat, sehr gut“, sagte der Wirtschaftsminister.
Der Vorgang zeige, dass „wir sehr aufmerksam die Einflussnahme von Russland in Deutschland ins Auge fassen müssen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dem Deutschlandfunk. „Da müssen wir sehr wachsam und entschieden vorgehen“, forderte er mit Blick auf die russische Spionagetätigkeit. Es werde eine Aufgabe der geplanten neuen nationalen Sicherheitsstrategie sein, „innere und äußere Sicherheit zusammenzudenken“. Denn Moskau sehe sich seit Jahren in einem Konflikt mit dem Westen und meine, dass alle Mittel zulässig seien wie etwa die Ermordung von Oppositionellen auf deutschem Boden oder eben auch Spionage. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angesprochene Zeitenwende bedeute auch, dass die militärische Komponente der internationalen Beziehungen deutlich an Gewicht gewinne, erklärte Schmid. Nachdem man 30 Jahre lang auf Dialog mit Russland gesetzt habe, sei nun ein Politikwechsel hin zur Abschreckung gefragt.
Die Bundesanwaltschaft hatte den beschuldigten BND-Mitarbeiter am Mittwoch in Berlin festnehmen lassen. Der Deutsche soll Informationen, die er im Zuge seiner Arbeit erlangt hat, an einen russischen Nachrichtendienst übermittelt haben. Der dem mutmaßlichen Doppelagenten von der Bundesanwaltschaft vorgeworfene Landesverrat kann nach dem Strafgesetzbuch in besonders schweren Fällen wie diesem mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren oder auch einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung missbraucht hat, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet. dpa /afp