Stuttgart/München – Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ sind nach Polizeiangaben an Weihnachten mit dem Plan gescheitert, einen Live-Fernsehgottesdienst der ARD zu stören. Weil es Hinweise auf die geplante Aktion an Heiligabend gegeben habe, sei der Gottesdienst in der evangelischen Auferstehungskirche Stuttgart-Möhringen auf den Vortag verlegt und aufgezeichnet worden, teilte das Polizeipräsidium Stuttgart mit.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) reagierte mit scharfer Kritik: „Wer an Weihnachten einen Gottesdienst stürmen möchte, um für politische Ziele zu werben, dem ist nicht mehr zu helfen“, erklärte er. „So findet man keine Unterstützer, sondern bloß Gegner“. Die „Letzte Generation“ schade damit dem Klimaschutz.
An Heiligabend waren laut Polizei acht Aktivisten der Gruppierung vor der Kirche erschienen. Doch sie hätten keine Live-Übertragung vorgefunden. Beamte, vom Pfarramt verständigt, hätten bei ihrem Eintreffen noch zwei potenzielle Störer angetroffen, die einen Platzverweis erhalten hätten.
Seit Anfang 2022 blockiert die „Letzte Generation“ Autobahnausfahrten und Kreuzungen in Großstädten, um für mehr Klimaschutz zu kämpfen. Hinzu kamen Aktionen in Museen, Stadien, Ministerien, an Flughäfen und an Ölpipelines.
Aus der obersten Ebene der evangelischen Kirche kommt offene Sympathie für die Gruppierung. Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, verteidigt politisches Engagement ihrer Kirche. „Wenn es brennt, dürfen wir uns nicht wegducken“, sagte sie dem „Spiegel“. Es gehöre zur „Genetik des Protestantismus“, in die Welt hinauszugehen und Verantwortung zu übernehmen. Die Demonstranten der „Letzten Generation“, unter denen sich auch evangelische Pfarrer fänden, störten zwar bewusst. „Sie stellen sich aber nicht gegen unsere demokratische Grundordnung. Sie wissen um die Konsequenzen, die ihr Protest haben kann, und nehmen sie in Kauf.“ Die jungen Menschen seien „verzweifelt, dass nicht genug getan wird“. Sie protestierten aber „reflektiert“.
Dementsprechend irritiere sie die Vehemenz, mit der aktuell gegen die Demonstranten vorgegangen werde. „Für Fridays For Future sind bis zu 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gegangen, doch der Protest wurde verniedlicht und trivialisiert. Die ,Letzte Generation‘ wird kriminalisiert, um die Dringlichkeit zu diskreditieren“, erklärte Heinrich. Zugleich kritisierte sie den Präventivgewahrsam als unverhältnismäßig. „Unser Rechtsstaat muss Straftaten sanktionieren und nicht Menschen präventiv wegsperren, damit sie nicht mehr stören.“
Der katholische Kardinal und Erzbischof Reinhard Marx hatte unserer Zeitung indes vor wenigen Tagen gesagt, auch Protest müsse sich „an Gesetze halten“. Auch aus der CSU kommt Widerspruch. Bayerns Hochschulminister Markus Blume, selbst Mitglied der Landessynode, warnt: „Protestantismus kann nicht Sympathisantentum mit Straftätern bedeuten.“ Blume sagte unserer Zeitung, ihn besorge, „dass mit einem solchen Kurs ein echter Basisabriss in der Kirche droht“. In ganz vielen Gemeinden gebe es „tiefes Unverständnis bezüglich dieser unkritischen Haltung zu den Klima-Klebern“. epd/cd