Taliban drohen internationalen Helferinnen

von Redaktion

VON VERONIKA ESCHBACHER

Kabul – Inmitten einer schweren humanitären Krise in Afghanistan haben mehrere Hilfsorganisationen ihre Arbeit wegen neuer Anweisungen der Taliban eingestellt. Hintergrund ist eine am Samstag von den militanten Islamisten veröffentlichte Aufforderung an Nichtregierungsorganisationen (NGOs), ihre Mitarbeiterinnen bis auf Weiteres zu suspendieren. Der Schritt löste weltweit Sorge und Kritik aus. Manche sprachen von einer „roten Linie“, die die Taliban überschritten hätten.

Das Wirtschaftsministerium in Kabul begründete seine Forderung nach Suspendierung der Mitarbeiterinnen damit, dass die Frauen sich angeblich nicht ordentlich verschleierten und damit gegen Vorschriften verstießen. Taliban-Anhänger schrieben in sozialen Medien, Frauen würden unter ihnen besser beschützt als von westlichen NGOs.

Eigentlich waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen die letzten Vertreter aus dem Westen, die in dem krisengeplagten Land geblieben waren. Die Taliban übernahmen im Sommer 2021 die Macht in Afghanistan. Internationale Truppen zogen überhastet ab. Westliche Länder brachten ihr Botschaftspersonal in Sicherheit. Internationale Helfer versorgten zuletzt Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln, betrieben Gesundheitskliniken oder unterrichteten Mädchen. Damit könnte nun Schluss sein.

Auch wenn die NGOs Beobachtern zufolge hoffen, dass sie mit der Einstellung ihrer Arbeit bei den Taliban ein Umdenken auslösen, hatten sie zunächst keinen Erfolg. Am Sonntag rief Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid dazu auf, sich nicht in die internen Angelegenheiten Afghanistans einzumischen. Alle Institutionen, die in Afghanistan tätig werden wollten, seien verpflichtet, die Regeln und Vorschriften des Landes einzuhalten.

Der Dachverband der in Afghanistan tätigen Nichtregierungsorganisationen ACBAR sprach am Montag von einer „drastischen Maßnahme“ und forderte das Wirtschaftsministerium auf, die schriftliche Anordnung zurückzunehmen. Viele der 183 lokalen und internationalen Mitgliedsorganisationen hätten ihre humanitäre Hilfe beendet, ausgesetzt oder reduziert, hieß es in einer Erklärung. Die Mitgliedsorganisationen beschäftigten 55 249 Menschen aus Afghanistan. 28 Prozent – das sind rund 15 500 – seien Frauen. Viele der beschäftigten Mitarbeiterinnen unterstützten Frauen und Mädchen, und diese Tätigkeiten müssten von Mitarbeiterinnen der NGOs ausgeführt werden.

Das Verbot habe katastrophale Auswirkungen auf die gesamten Hilfsprogramme, teilte die Welthungerhilfe am Montag mit. Die Hilfsorganisation setzte ihre Arbeit vorerst aus. Die Hilfsorganisationen Care, Save the Children, die Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC), World Vision und das International Rescue Committee (IRC) hatten zuvor bereits mitgeteilt, sie hätten ihre humanitäre Arbeit in dem Land mit geschätzt 37 Millionen Einwohnern eingestellt.

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