Lindners Kampfansage an die Ampel

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

München – „Besser nicht regieren, als falsch regieren“: Mit diesen Worten ließ FDP-Chef Christian Lindner nach der Bundestagswahl 2017 das damals anvisierte Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen platzen. Vier Jahre später fanden SPD, Grüne und FDP zusammen. Lindner ist heute Finanzminister. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass er auch bei dieser Koalition fürchtet, dass sie in die falsche Richtung steuert.

In einem internen Papier – das freilich nicht lange intern blieb, sondern bei der „FAZ“ landete – ließ Lindner nun Fachleute aus seinem Haus zusammentragen, was sich in Deutschland ändern muss, damit das Land als Wirtschaftsstandort wieder in der Top-Liga spielt. Deren Antwort: So einiges.

Gefordert wird – in Anlehnung an Kanzler Olaf Scholz – eine Zeitenwende auch in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Zuletzt hätten hohe Energiepreise und Inflationsraten, Defizite bei der Modernisierung und der Fachkräftemangel den Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt. Nötig seien daher bessere Anreize für Investitionen, ein stärkeres Fachkräfteangebot und der Abbau bürokratischer Hürden. Neben steuerlichen Maßnahmen wie einer höheren Forschungsförderung und einer Investitionsprämie werden zum Beispiel auch flexiblere Arbeitszeiten und ein Weiterbetrieb der Atomkraftwerke über April 2023 hinaus „fachlich“ befürwortet. Höheren Steuern für Reiche über einen „Energie-Soli“, einen höheren Spitzensteuersatz oder die Einführung einer Vermögensteuer dagegen erteilt das Papier eine klare Absage. Stattdessen sprechen sich Lindner und sein Haus für eine Senkung der Einkommensteuer aus. Und Transferleistungen müssten so aufeinander abgestimmt werden, dass die Arbeitsanreize gestärkt würden.

Während Bayerns CSU-Finanzminister Albert Füracker erfreut reagiert („Krisen bekämpft man durch Steuersenkungen, nicht durch Steuererhöhungen“), dürften einige von Lindners Kabinettskollegen das Papier als das erkennen, was es ist – eine Kampfansage. Denn Forderungen nach einer Aufhebung des Frackingverbots, nach längeren Atom-Laufzeiten oder einer längeren Aussetzung von CO2-Preiserhöhungen überschreiten nicht nur Lindners Zuständigkeit als Finanzminister – sie sind für seine Koalitionspartner von SPD und Grünen ebenso rote Tücher wie eine Senkung der Einkommensteuer.

Und so bleiben erboste Reaktionen nicht lange aus. „Was wir nicht brauchen, sind Vorschläge, die der Finanzminister über die Feiertage aus verstaubten FDP-Wahlkampfkisten gezogen hat“, sagt Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, dem „Spiegel“. „Atom und Fracking sind keine Freiheitsenergien“, meldet sich SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch zu Wort.

Ganz unbeabsichtigt dürfte dieser Ärger nicht sein. Die FDP hat es schwer, sich in der Regierung zu behaupten, und angesichts empfindlicher Niederlagen bei Landtagswahlen im ablaufenden Jahr steigt die Nervosität. Zwischen SPD und Grünen hat die kleine Partei Sorge, ihren Markenkern zu verlieren. Tatsächlich wurden die Liberalen bereits für die verunglückten Gasumlagen-Pläne der Ampel in Mithaftung genommen. Auch dass es in Deutschland noch immer Corona-Maßnahmen gibt, nehmen der FDP einige Anhänger übel. Dazu das Dauer-Gezerre um die Schuldenbremse, wobei deren Verteidiger Lindner nicht immer gut aussieht. Da kann es womöglich auch aus FDP-Sicht nicht schaden, mal ein paar Pflöcke einzuschlagen.

Die FDP hat es schwer in der Ampel

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