Die neue Angst vor dem China-Virus

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND SEBASTIAN HORSCH

Berlin/München – Es klingt, als wäre die Welt plötzlich in einer Zeitschleife gefangen. Ob man Flüge aus China nicht vielleicht absagen solle, rätselten Politiker im Februar 2020. Oder Passagiere in Quarantäne schicken? Oder Fieber messen? Nach langem Zögern und bedächtigem Stirnrunzeln ersann die Bundesregierung die sehr deutsche Lösung, man werde Informationstafeln aufstellen und in den Flugzeugen Fragebögen austeilen. Weitere Schritte werde man „prüfen“ und das mit internationalen Gesprächen „flankieren“.

Man konnte es ja kaum ahnen, aber die Fragebögen haben die Pandemie damals nicht recht aufgehalten. Heute ist die Welt in einer ähnlichen Lage. Wieder ist Corona in China aufgeflammt, diesmal in ausufernder und unkontrollierter Dimension. Abermals wird im Westen darüber beraten, ob man vielleicht Flüge annullieren oder Passagiere testen solle. Und erneut zögert Deutschland.

„Wir behalten die Situation sehr aufmerksam im Blick“, sagt ein Sprecher des sonst sehr vorsichtigen Bundesgesundheitsministeriums auf Anfrage. Bislang gebe es aber keine Hinweise auf eine neue Variante des Virus, die gefährlicher sei. Man sei in internationalen Gesprächen.

Forderungen, offensiver an das China-Thema ranzugehen, kommen aus der Union. „Mit der aufgehobenen chinesischen Quarantänepflicht strömen die Chinesen ins Ausland. Bei den explodierenden Coronazahlen vor Ort wäre die Bundesregierung gut beraten, eine Testpflicht für Einreisen aus China sofort zu erlassen“, sagte der CDU-Politiker Sepp Müller dem Netzwerk RND. Man müsse eh davon ausgehen, dass der chinesische Impfstoff nicht gewirkt habe.

Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht den Bund am Zug. Nach der Einreisverordnung müsse dafür aber zunächst China als Virusvariantengebiet eingestuft werden, sagte er unserer Zeitung. Zwar landen derzeit – und laut Holetschek mindestens bis März – keine Direktflüge aus China in München. Er habe das Bundesministerium trotzdem gebeten, bei einer Besprechung in der kommenden Woche die Länder zu informieren, wie es in dieser Frage weitergehen soll. „Am besten wäre natürlich, man hätte eine gemeinsame Position der EU.“

Und der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagt: „Es ist richtig, Test- und Quarantänevorschriften bei Grenzübertritten aus China verpflichtend vorzusehen. Auch Deutschland sollte dies tun – aus Vorsicht.“

Für einen vorsichtigen Kurs sprechen Ergebnisse aus Italien. In Mailand wurden die Passagiere aus zwei China-Flügen getestet. Von 210 Passagieren waren 97 positiv. Italien begründet unter dem Eindruck dieser Zahlen eine sofortige Testpflicht nach der Landung, auch für Transit-Passagiere. Allerdings wurden bisher keine neuen Varianten aus China in Italien gefunden, lediglich die eh zirkulierende Omikron-Version.

In den USA wird eine strengere Regelung vorbereitet. Ab 5. Januar müssen Flugreisende aus China ab zwei Jahren spätestens zwei Tage vor ihrem Abflug aus China, Hongkong und Macau einen Test machen und bei der Abreise ein negatives Ergebnis vorlegen, erklärte die Gesundheitsbehörde CDC. Ebenso verschärfen Japan, Indien und Malaysia die Regeln. Die EU-Kommission wollte am Donnerstag über ein koordiniertes Vorgehen beraten. Ein Ergebnis lag zunächst nicht vor.

Genaue offizielle Corona-Zahlen gibt es in China nicht mehr. Nach dem Ende der Testpflicht ist es nach Behördenangaben inzwischen unmöglich, die Zahl der Corona-Fälle abzuschätzen. Was von den Verlautbarungen aus China zu halten ist, weiß die Welt eh schon seit 2020. Damals im Februar log Außenminister Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz, man erziele „große Fortschritte bei der Eindämmung“ des Virus.

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