Baerbock-Papier spaltet die Ampel

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Vor ein paar Tagen hätte ein zentrales Projekt Annalena Baerbocks ein wichtiges Etappenziel erreicht haben sollen. Kurz vor Weihnachten wollte das Auswärtige Amt seinen Entwurf für eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ in die Ressortabstimmung geben, doch dazu kam es nicht. Nach Informationen des „Spiegel“ haben Kanzleramt und Finanzministerium zahlreiche Einwände, kurz vor Weihnachten wurde das Projekt auf Eis gelegt. Rund 30 Einzelpunkte sind demnach betroffen.

Bereits im März hatte Baerbock angekündigt, in ihrem Ministerium eine Strategie zu erarbeiten, die künftig als Orientierungshilfe in allen außenpolitischen Fragen von der Bundeswehrmission in Mali bis zum Umgang mit China dienen sollte. Doch das vorläufige Ergebnis sorgt in der Koalition für Unmut.

Dabei geht es unter anderem um das Verhältnis zu Peking. Dem Bericht zufolge bestehen im Kanzleramt erhebliche Vorbehalte zu Umfang, Schärfe und Detailtiefe der China-Passagen. Das Auswärtige Amt will das Thema hingegen so umfassend und präzise wie möglich angehen: Man wolle konkrete Handlungsempfehlungen für Ministerien, Länder, Kommunen, Unternehmen und Universitäten anbieten. Das klingt selbstbewusst.

Im Kern geht es bei den Differenzen deshalb offenbar nicht nur um unterschiedliche Erwartungen an eine nationale Strategie, sondern um grundsätzliche Standpunkte und eine zentrale Frage: Wer ist in der Außenpolitik die treibende Kraft, Kanzleramt oder Auswärtiges Amt? Beispielhaft dafür steht die Frage, ob es einen „Nationalen Sicherheitsrat“ braucht, in dem Außen- und Sicherheitspolitik künftig koordiniert werden könnten. Und wenn ja: In welchem Amt wäre er anzusiedeln?

Baerbocks Vorstellungen von einer „werteorientierten“ Politik stehen in deutlichem Kontrast zu Olaf Scholz’ eher pragmatischem Ansatz. Wirtschaftsbeziehungen will sie enger verknüpfen mit der Einhaltung von Menschenrechten. Auch das Einhalten von Umweltstandards sei unverzichtbar. Als im November der Entwurf der Nationalen Sicherheitsstrategie durchsickerte, reagierte Peking prompt: Die Einstufung als „systemischer Rivale“ sei ein „Erbe des Denkens aus dem Kalten Krieg“.

Das Verhältnis zu China ist nicht der einzige Kritikpunkt, der Baerbock vorgehalten wird. Das ganze Papier sei zu „eurozentristisch“ geraten, monieren Spitzenbeamte von Scholz und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Aus dessen Ressort gab es zudem Bedenken, der Entwurf befasse sich zu wenig mit der Frage, wie die Finanzierung des internationalen Terrorismus effektiver bekämpft werden könne. Es müsse ein stärkeres Augenmerk auf den Kampf gegen Geldwäsche gelegt werden. Das ganze Papier sei eher eine „Ideensammlung“ als ein tragfähiges Konzept.

All das lässt nicht nur auf inhaltliche Differenzen schließen, sondern auf ein grundsätzliches Knirschen in der Koalition. Dazu passt, dass der „Spiegel“ aus Grünenkreisen zitiert, dass die harsche Reaktion auf das Papier viel mit verletzter Eitelkeit zu tun habe. Baerbocks hohe Beliebtheitswerte ärgerten Scholz und Lindner.

Aber nicht nur innerhalb der Koalition muss die Außenministerin sich mit Vorbehalten herumschlagen. Auch in den Bundesländern regt sich Widerspruch. Die Innenminister von Bayern und Nordrhein-Westfalen, Joachim Herrmann (CSU) und Herbert Reul (CDU), beklagten öffentlich, die Länder seien kaum eingebunden worden, dabei würden viele der Sicherheitsthemen sie ebenfalls betreffen.

All diese Vorbehalte müssen nun erst mal ausgeräumt werden. Das kann dauern. Baerbocks Ziel, die Strategie unmittelbar vor der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar zu präsentieren, dürfte nur schwer einzuhalten sein.

Der Siko-Plan platzt wohl

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