Kaum jemand wird bedauern, dass dieses Jahr 2022 zu Ende geht. Es brachte den brutalen Angriff Russlands auf einen friedlichen Nachbarn. Es brachte neue Drohungen gegen Taiwan aus einem China, das sich klar auf die Seite von Russland stellt. Es brachte eine enorme Steigerung der Lebenshaltungskosten und damit sinkende Reallöhne. Sparer bekommen wieder Zinsen. Die reichen aber nicht aus, um die Entwertung von Bankguthaben wie Versicherungsleistungen auszugleichen. Das ist sozial besonders ungerecht, eine Umverteilung zugunsten der Besitzer von Sachwerten (mit Schulden) zulasten der Bürger, die nur Geldvermögen haben.
Das alles ist schlimm, sehr schlimm sogar, denn 2022 hat uns gelehrt, dass noch sehr viel Schlimmeres passieren könnte. Aber es ist nicht alles schlecht, was 2022 geschehen ist, und das gibt Hoffnung für das kommende Jahr.
Der Ukraine-Krieg hat den Westen, die Staaten, die demokratische Werte hochhalten, wieder viel näher zusammengebracht. Die Nato-Allianz ist sozusagen neu geboren worden. Die Hilfe für die Ukraine wurde von allen geleistet, von England und den USA sofort, von den europäischen Ländern aber auch. Polen insbesondere ist gerade dabei, zum neuen militärischen Kraftzentrum zu werden. Schweden und Finnland haben ihre ewige Neutralität aufgegeben, um die volle Nato-Mitgliedschaft zu erlangen.
Vor einem Jahr noch glaubten viele, dass Russland über eine starke Armee verfüge. Heute wissen wir, das russische Militär ist schlecht ausgebildet, der digital gesteuerten Kriegsführung kaum gewachsen. Russische Soldaten sind auch nicht motiviert. Putin ist nicht der starke Mann, als der er sich dargestellt hat.
Der Ukraine dagegen ist in Wolodymyr Selenskyj ein heroischer Führer geschenkt worden, den sie – und der Westen – so dringend gebraucht haben. Den Propaganda-Krieg hat Selenskyj schon gewonnen.
Sogar Deutschland hat eine „ Zeitenwende“ erlebt. Unsere sogenannten Eliten waren Putin auf den Leim gegangen. Sie hatten jeden Bezug zur Realität verloren. Zur Abhängigkeit von russischem Gas kam die sträfliche Vernachlässigung der eigenen Rüstung. Daran werden wir noch lange zu tragen haben. Aber ein Anfang des Aufwachens wenigstens ist gemacht.
Putin ist nicht der einzige starke Mann, der heute schwächer aussieht als vor einem Jahr. Dasselbe gilt für den chinesischen Alleinherrscher Xi und für Trump in den USA. Xi hat sein Land durch die Verweigerung westlicher Impfstoffe mit seiner Null-Covid-Politik furchtbar geschwächt. Aktuell sterben dort Millionen von Menschen, weil sie keinen Impfschutz haben. Der von vielen auch im Westen gehegte Glaube an die Überlegenheit despotischer Führung ist widerlegt. Trump ist in den Wahlen in diesem Herbst krachend gescheitert mit allen von ihm protegierten Kandidaten. Da auch die juristischen Ermittlungen gegen ihn fortschreiten, ist seine erneute Kandidatur so gut wie ausgeschlossen.
Die Welt bleibt ein gefährliches Pflaster. Aber nicht alles, was 2022 geschah, war ein Desaster für die, die an starke Demokratien, die Herrschaft des Rechts und weltweiten Wirtschaftsaustausch glauben. So bleibt die Hoffnung, dass 2023 ein Jahr wird, in dem wir in die richtige Richtung gehen. Dringend nötig ist das.
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