„Wir lassen uns nicht erpressen“

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Kein Hauch von Leichtigkeit. „Heute Nacht geht ein schweres Jahr zu Ende“, ist schon der erste Satz des Kanzlers. Da schwingt etwas mit, was viele Menschen in diesen Stunden fühlen: Gut, dass 2022 nicht weitergeht, nicht so weitergeht jedenfalls. Olaf Scholz versucht in seiner Neujahrsansprache, Trübsal und Angst nicht zu verleugnen – aber den Deutschen Hoffnung zu machen.

„Nicht allein Krieg, Leid und Sorge“ hätten dieses Jahr geprägt, sagt er. Sondern auch Zusammenhalt, Stärke und Zuversicht. Er erkennt auch Positives im Kriegsverlauf in der Ukraine. „Putin hat die Ukraine eben nicht in wenigen Tagen überrannt, wie er geplant hatte. Ganz im Gegenteil: Tapfer verteidigen die Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Heimat.“ Europa und Nato seien vereint. „Und wir in Deutschland sind nicht eingeknickt, als uns Russland im Sommer den Gashahn zugedreht hat. Weil wir uns nicht erpressen lassen!“

Es hat schon banalere Ansprachen zum Jahreswechsel gegeben, mitunter so inhaltsarme Floskeleien, dass einmal sogar das Fernsehen versehentlich eine Ansprache des Vorjahres senden konnte. Diesmal ist das natürlich anders. Wie schon in den beiden Corona-Jahren zuvor wird diesmal auf die Botschaft der Regierenden genauer geachtet, die Vorjahresquote von 3,2 Millionen (damals rief er noch zum Impfen auf) wohl übertroffen.

Scholz greift mit der „Zeitenwende“ ein Wort auf, das er im Frühjahr im Bundestag geprägt hatte. „Diese Zeitenwende stellt auch uns und unser Land auf eine harte Probe“, sagt er. „Wir fühlen mit den Ukrainern, die selbst an Tagen wie heute keine Ruhe haben vor den russischen Bomben und Raketen.“ Und auch in Deutschland seien die Folgen des Kriegs im Alltag zu spüren – „beim Einkaufen im Supermarkt, an der Tankstelle oder wenn wir die Strom- oder Gasrechnung bezahlen“.

Gleichzeitig formuliert er die Bitte an die Bürger, weiterhin dicht beieinander zu stehen. „Unser Zusammenhalt ist unser größtes Pfund.“ Die Geschichte des Jahres handele eben auch von einem Land, „in dem wir uns für andere einsetzen. Von 29 Millionen Freiwilligen und Ehrenamtlichen landauf und landab. Von dem überwältigenden Mitgefühl und der Hilfsbereitschaft, mit denen so viele von Ihnen den Geflüchteten aus der Ukraine begegnen.“ Scholz spricht in seiner Neujahrsansprache von Treffen mit Helfern in Köln, die Flüchtlinge versorgen, mit Soldaten in der Lüneburger Heide, „die trainieren, um unser Land gegen alle Bedrohungen zu verteidigen“, und mit Handwerkern in München. Deutschland sei „ein Land, das sich unterhakt, gerade in schweren Zeiten“.

Die Tradition ist, dass an Weihnachten der Bundespräsident spricht, an Silvester dann der Regierungschef. So ähnlich läuft das auch in Bayern: Hier hatte Ilse Aigner, die Landtagspräsidentin, die Bayern auf die Festtage eingestimmt. Die Neujahrsansprache hält Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er hebt in der Rede, die am 1. Januar im BR ausgestrahlt wird, die Hilfsbereitschaft hervor: „Die Bayern haben ihr menschliches Gesicht gezeigt. Bayern hat Herz. Wir haben mehr Menschen aus der Ukraine aufgenommen als beispielsweise Frankreich.“

Söder ruft zu Optimismus auf. „Natürlich ist Bayern nicht perfekt, aber sehr stark.“ Weite Teile seiner Rede kann man freilich als Lob der eigenen Staatsregierung zu Beginn eines Wahljahres verstehen (was Scholz für seine Ampel auch tut). Er betont die „niedrigste Kriminalitätsrate seit 44 Jahren“, soziale Leistungen und die Hightech-Offensive. Indirekt kündigt Söder an, in Kürze neue Konzepte zur Schulpolitik vorzulegen. „Wir werden dabei noch viel mehr machen“, das habe „höchste Priorität“.

Söder kündigt Schul-Offensive an

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