Steinmeier auf Mission Regenwald

von Redaktion

VON ULRICH STEINKOHL UND DENIS DÜTTMANN

Manaus – Die Luft klebt, schon normales Laufen löst Schwitzattacken aus. In diesem Tropenklima Treppen steigen? Keine gute Idee. Das bekommt auch Frank-Walter Steinmeier zu spüren. Mitten im Amazonas-Regenwald will sich der Bundespräsident am Montag über dessen Zustand und die Folgen für das Klima informieren. Und das geht nirgends besser als vom ATTO-Tower aus, einem 325 Meter hohen Klimamessturm.

„Hier wird sozusagen der Puls für das Weltklima gemessen“, sagt Steinmeier, bevor er den roten Helm aufsetzt, den Sicherungsgurt anlegt und losstapft. Allerdings erklimmen er und später Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nur die erste Plattform in 54 Metern Höhe. Das ist anstrengend genug.

Deutsche und brasilianische Forscher gehen in der Beobachtungsstation Amazon Tall Tower Observatory (ATTO) den komplexen Wechselwirkungen zwischen Regenwald und Atmosphäre auf den Grund. Meteorologische, biologische und chemische Daten wie die Konzentration von Treibhausgasen werden kontinuierlich gemessen. „Die Bäume, die hier wachsen, binden Millionen und Abermillionen Kohlendioxid“, sagt Steinmeier. Die Region sei zwar weit weg von Deutschland, aber auch „unsere Lebensgrundlage“. „Und diese Lebensgrundlage ist in Gefahr.“

In Zahlen schaut diese Gefahr so aus: Um 45 586 Quadratkilometer – eine Fläche fast so groß wie Niedersachsen – ist der Regenwald laut dem Nationalen Institut für Weltraumforschung (INPE) in Brasilien zwischen 2019 und 2022 geschrumpft. Es waren die vier Amtsjahre des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro, der am Neujahrstag von Luiz Inácio Lula da Silva abgelöst wurde. Arten- und Klimaschutz waren für Bolsonaro kein Thema, unter Lula soll das anders werden. Auf ihm ruhen viele Hoffnungen.

Zwar ist Lula in seinen beiden ersten Amtszeiten von 2003 bis 2011 nicht wirklich als Grüner aufgetreten. Doch seit seiner Wahl Ende Oktober hat er einige Zeichen gesetzt. Bei der Weltklimakonferenz in Scharm el Scheich in Ägypten kündigte er an, den Kampf gegen den Klimawandel und den Schutz des Amazonas in den Vordergrund seiner Arbeit zu stellen. Sein Ziel: Er will das Abholzen des Regenwaldes bis 2030 beenden. Von Juni bis Oktober ist in Brasilien Waldbrandsaison. Meist werden die Bäume gefällt und dann in Brand gesteckt, um neue Weideflächen und Ackerland zu schaffen. Auch illegales Goldschürfen ist ein Problem.

Der Amazonas ist verteilt auf neun Staaten Südamerikas, Brasilien hat den größten Anteil. Der größte Regenwald der Welt mit einer Fläche von sieben Millionen Quadratkilometern bindet laut Naturschutzorganisation WWF zwölf Prozent des Süßwassers der Erde und ist Heimat für zehn Prozent aller Arten. Schon rund 20 Prozent der ursprünglichen Fläche seien zerstört. Bei 25 Prozent könnte ein Kipppunkt erreicht werden, von dem an sich das Ökosystem nicht mehr regenerieren kann. „Das würde schwere Störungen im Klimasystem nach sich ziehen, die wir zwar nicht genau prognostizieren können, aber die den gesamten Planeten betreffen würden“, sagt Lemke.

Sie und Steinmeier sagen Lula deutsche Unterstützung zu. So werden 35 Millionen Euro aus dem Amazonas-Fonds, die unter Bolsonaro eingefroren waren, wieder freigegeben. Zudem verdoppelt Berlin die Mittel für den weltweiten Schutz der Wälder auf zwei Milliarden Euro.

„Unter den vielen Vorhaben, die wir uns für das neue Jahr gemacht haben, gehört Klimaschutz und der Schutz der Regenwälder ganz oben auf die Tagesordnung“, sagt Steinmeier am Fuß des ATTO-Turmes. Da steht ihm der Schweiß auf der Stirn.

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