Washington – Beim Machtkampf um den mächtigsten Posten im US-Parlament hat der Republikaner Kevin McCarthy seine Serie an Niederlagen fortgesetzt. Das Repräsentantenhaus machte am Mittwoch weiter mit der Wahl für den Vorsitz der Kongresskammer, McCarthy konnte sich aber auch in einem weiteren Wahlgang nicht durchsetzen. Zunächst war keinerlei Lösung in Sicht für die verfahrene Situation, die den Kongress ins Chaos gestürzt hatte. Ein Appell des Ex-Präsidenten Donald Trump an seine Parteikollegen, das Drama zu beenden und McCarthy ihre Stimme zu geben, verhallte. US-Präsident Joe Biden nannte das Wahldebakel „peinlich“.
Am Dienstag hatte McCarthy die erforderliche Mehrheit bei der Wahl zum Vorsitzenden der Parlamentskammer bereits dreimal verfehlt, weil ihm diverse Parteikollegen die Unterstützung verweigerten. Für den 57-Jährigen ist das eine historische Schlappe und eine öffentliche Bloßstellung. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihren Kandidaten nicht im ersten Durchgang ins Amt wählt.
Am Mittwoch schaltete sich Trump ein und rief seine Parteikollegen auf, einen Gesichtsverlust zu vermeiden und McCarthy auf den Chefposten zu wählen. Auf der von ihm mitbegründeten Social-Media-Plattform Truth Social schrieb der Ex-Präsident: „Gestern Abend fanden einige wirklich gute Gespräche statt, und jetzt ist es an der Zeit, dass alle unsere großartigen republikanischen Abgeordneten für Kevin stimmen.“ Er appellierte an seine Parteikollegen: „Verwandelt einen großen Triumph nicht in eine riesige und peinliche Niederlage.“ McCarthy werde einen guten Job machen, „und vielleicht sogar einen großartigen“.
Trump hatte McCarthy bereits vor der Wahl seine Unterstützung ausgesprochen, was den Feldzug gegen diesen aber nicht verhinderte. Auch sein erneuter Appell beeindruckte die parteiinternen Rebellen nicht, was einmal mehr ein Zeichen für Trumps geschwundenen Einfluss innerhalb der Republikanischen Partei ist.
Im vierten Wahlgang verweigerten am Mittwoch wie schon am Vortag erneut 20 Republikaner ihrem Parteikollegen McCarthy die Unterstützung. Es zeichnete sich also keinerlei Bewegung ab. Diesmal schickte der republikanische Abgeordnete Chip Roy seinen Parteikollegen Byron Donalds als Kandidaten in Rennen, hinter dem sich die Gegner McCarthys versammelten. Noch dazu enthielt sich eine republikanische Abgeordnete. McCarthy verlor damit eine weitere Stimme. Bereits am Dienstag hatte das Anti-McCarthy-Lager mehrere alternative Kandidaten aufgestellt – als Zeichen ihres Widerstandes.
Die Kongresskammer schloss direkt einen fünften Wahlgang an. Es war jedoch nicht absehbar, dass McCarthy dort Erfolg haben könnte.
Biden kritisierte das Wahldrama der Republikaner. „Es ist nicht mein Problem. Ich finde es nur etwas peinlich, dass es so lange dauert und wie sie miteinander umgehen“, sagte der Präsident. Der Rest der Welt schaue zu. „Ich konzentriere mich darauf, Dinge zu erledigen“, betonte der Demokrat. Bei einem Besuch im Bundesstaat Kentucky hob Biden danach auffallend die Notwendigkeit überparteilicher Zusammenarbeit hervor und gab sich betont eng mit dem obersten Republikaner im Senat, Mitch McConnell. C. JACKE/J. NAUE